Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
ewig ein Mütterreflex bleiben.
» Mutti, gewöhn dich bitte daran, dass ich 35 bin und selbständig.«
» Junge, und du denk daran: Ich will doch nur dein Bestes.«
Sicher, wie immer. Allerdings weiß ich mittlerweile, wie man aufs Töpfchen geht!
» 16 Dollars … dafür nehmen wir’s … yes.« Mutti strahlt und nimmt die Tüte entgegen.
Antje steht bereits an der Tür. » Die haben hier nix für mich. Ab in den nächsten Laden, Mädels.«
» Oh ja«, ereifert sich Mutti, » da werden wir bestimmt fündig, und für Andi brauchen wir noch einen schicken Pyjama. Die T-Shirts, die du nachts trägst, sind alle hässlich.«
» Nein!!« Ich stürme aus dem Laden und renne die Gasse runter.
Kaufrausch. Da steckt das Wort »Frau« doch schon drin!
An der Rezeption lasse ich mir meine Klamotten geben und zahle für die Reinigung. Gewaschen erscheinen die mir auch wie neu, warum also nachkaufen. Jemand tippt mir auf die Schulter.
» Na, im Schlussverkauf fündig geworden?«
» Mensch, Jana, du … hier? So klein ist die Welt.«
» Nicht die Welt, dieser Ort. Außerdem sind wir doch im Hotel.«
» Klar, ich dachte nur … dann warst du gar nicht einkaufen?«
» Nö, das muss ich doch sonst nur mit mir rumschleppen. Hier muss ich nicht shoppen.«
Okay, das gibt einen Pluspunkt für sie.
» Ich war den ganzen Tag im Zimmer und hab gelesen.«
Oh.
» Umso besser, dann hast du das hier gar nicht vermisst.« Ich gebe ihr das Portemonnaie zurück.
» Ah. Danke, das habe ich heute wirklich noch nicht gebraucht. Von dem ganzen asiatischen Essen hab ich ’ne leichte Verstopfung.«
» Oder wie man in Vietnam sagt: Reisverschluss …«, flachse ich.
Sie lächelt und geht die Treppe hoch.
» Gute Besserung«, rufe ich ihr nach.
Toni schlüpft aus der Tür, die zu den Zimmern im Erdgeschoss führt, und bestellt etwas an der Rezeption. Er trägt nur ein Handtuch um die Hüften gewickelt, sonst scheint er nackt. Ich halte meinen Klamottenbeutel hoch.
» Na, auch höchste Zeit für frische Wäsche?«
» Nee, für frische Kondome!« Und – schwupps – ist Toni wieder durch die Tür verschwunden.
Donnerstag, 5. Februar
ZU ALLEN STRANDTATEN BEREIT C
Mein Sattel lässt sich nicht höher schrauben. Ich prüfe die Länge der Stange, das vietnamesische Volk ist wohl nicht auf 1,90 Meter eingestellt.
» Mach dir doch mehr Luft in die Reifen«, grinst Walter, der das gleiche Problem hat.
Harald steht etwas unschlüssig vor dem Bike-Verleih. » Warum haben die denn keine Fahrradhelme?«
Toni strampelt mit uns durch den Ort zu einer Siedlung, die direkt am Fluss liegt. Thu Bon, schon der Name verheißt Gelassenheit. Tatsächlich wirkt ringsum alles sehr entspannt. Die Menschen genießen offenbar, was sie zum Leben haben, und zeigen sich damit zufrieden – das ist wohl der Alltag nach dem buddhistischen Prinzip. Die einfachen Häuser haben vorne gleich drei Türen: Die mittlere ist für die Großeltern, die weitere Familie und Freunde laufen rechts und links durch die Eingänge.
» Schön, wie unsere Generation hier geehrt wird«, spricht Mutti so laut mit Mechthild, damit auch ich es nicht überhören kann. » Ui, schau mal: drei Türen und nicht eine Fußmatte. Na, das wäre was für meine Nachbarin mit ihrem Putzfimmel.«
Nachbarin. Hoffentlich denkt meine an die Pflanzen.
» Richtig, und für Kurt würde ich eine Katzenklappe einbauen«, stellt Mechthild fest, öffnet die Reißverschlüsse ihrer Outdoorhose und löst die unteren Stoffbeine.
Den Gong hören wir schon aus einiger Entfernung, in einer Grundschule ist gerade Pause. Als wir am Eingangstor von den Sätteln steigen, laufen hundert Kinder mit lautem »Hello!« auf uns zu. Wahrscheinlich geben wir ein irre witziges Bild ab: große bleiche Menschen mit langen Nasen auf zu kleinen Rädern.
Toni weiß einen weiteren Grund: » Nun ja, Europäer, sie kennen fast nur aus ihren Schulbüchern.«
» Aus unserer Sicht leben ja eigentlich die Einheimischen hinterm Mond …«, überlegt Kristin laut.
» … dabei sind wir die Aliens!«, ergänze ich. Sie nickt.
Ganz schön holprig sind die schmalen Wege, auf denen wir weiter durch die Reisfelder fahren, wir rumpeln eher über den harten Lehm, als dass wir radeln. Doch im Gegensatz zur unebenen Fahrstrecke: Ruhiger und friedlicher kann eine Landschaft kaum daliegen, eigentlich unbewegt wie auf einem Foto. Doch plötzlich schweigt die Stille nicht mehr, ja wird sogar jäh durchbrochen, als Mechthild auf einem
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