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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Melodia
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seltsame Energie, die in der Luft vibriert.
    Ich betrachte mein neues, graziles Schreibgerät.
    Die Nummer  11 .
    Diese Zahl sagt mir nichts.
    Ein violettes Heft.
    Ein unbezahlbarer Füller, gekauft für wenig Geld.
    Kann es sein, dass alles, was mir passiert, eine versteckte Bedeutung hat? Oder drehe ich jetzt langsam durch?
    Auf der anderen Straßenseite erscheint ein großer dunkler Schemen, der eine graue Benzinspur hinter sich herzieht. Es ist der Bus der Mädels. Er hält schnaufend, öffnet seine Falttüren und lässt die trübseligen Passagiere hervorquellen wie ein monströser Fisch seine Eier.
    Naomi winkt.
    Meine Finger sind eiskalt.
    Ich verliebe mich nicht in Gegenstände, möchte ich dem alten Engel sagen. Doch die Tür der Schreibwarenhandlung hat sich bereits hinter mir geschlossen, und die misstönende Glocke hat meinen Austritt aus diesem Laden jenseits der Zeit besiegelt.
    Ich habe mich noch nie in etwas oder jemanden verliebt.
    Außer in dieses violette Heft vielleicht.
    Und ich liebe Lina, denke ich gleich darauf beschämt.
    Natürlich. Meine kleine Schwester.
    Mein Kopf fängt wieder an zu pochen, ganz leicht, im Rhythmus eines fernen Donnergrollens.
     
    »Geht’s dir gut? Du machst ein Gesicht …«, erkundigt sich Seline.
    »Doch, klar«, antworte ich ungehalten. Sie ist es schließlich, der es schlechtgeht, oder?
    »Wo fangen wir an?«, fragt Naomi. »Schuhe?«
    »Wozu die Eile?«
    »Ich will mir ein schönes Paar Schuhe kaufen.«
    Ich taxiere sie.
    »Okay, vielleicht habe ich heute Abend eine Verabredung.«
    »Mit deinem neuen Freund?«
    »Er ist nicht mein neuer Freund.«
    »Aber mit ihm?«
    »Ja.«
    »Die berühmte exklusive Überraschungsparty?«
    »Ich hoffe es. Er hat mir noch nichts verraten, aber so, wie er mit seinen Freunden darüber redet …«
    Ich wende mich an Seline: »Schuhe?«
    Sie lächelt ohne großen Enthusiasmus. »Ist mir recht.«
    Wohl auch, weil Schuhe das Einzige sind, das sie anprobieren kann, ohne Kindergrößen nehmen zu müssen.
    »Dieser verdammte Regen müsste jetzt echt nicht sein, was?«, schimpft Naomi und kämpft mit ihrem Schirm.
    Den Pfützen ausweichend, gehe ich hinter ihnen her. Als wir an der Schreibwarenhandlung vorbeikommen, bemerke ich, dass drinnen kein Licht mehr brennt.

[home]
    Kapitel 26
    Z u Hause erwartet mich die grandiose Neuigkeit, dass ich meinen Abend zusammen mit Jenna und Lina in Gads Frittenbude verbringen darf. Solche gemeinsamen Abendessen kommen zum Glück nicht allzu häufig vor, aber hin und wieder schleppt Jenna uns mit, um Gad eine Freude zu machen.
    Ich stelle den Karton mit meinen nagelneuen lila Stiefeln im Flur ab. Auf Linas Gesicht zeigt sich ein schönes Lächeln und teilt es in zwei Hälften wie Apfelscheiben. Sie wirkt glücklich. Ich kann nicht anders, als mich einverstanden zu erklären.
    »Falls euch meine Meinung überhaupt interessiert«, füge ich sarkastisch hinzu.
    »Zieh dir was Hübsches an!«, brüllt Jenna aus ihrem Zimmer. Ich gehe zu ihr, lehne mich an den Türrahmen und mustere sie. Sie hat nur einen Slip an, und ich muss zugeben, dass sie trotz ihres harten und leidvollen Lebens immer noch eine sehr schöne Frau ist.
    »Warum sollte ich was Hübsches anziehen?«
    Mein Einwand lässt zweierlei Ergänzungen durchblicken: »damit es dann in alle Ewigkeit nach altem Fett stinkt« und »wo ich doch nichts Hübsches habe«.
    »Weil du viel schöner bist, wenn du dich mal anständig anziehst.«
    Jenna sagt mir nicht oft, dass ich schön bin. Eigentlich macht sie mir nie Komplimente. Ich bin auch nicht sicher, ob das eines ist.
    Ich finde mich damit ab, diesem widerwärtigen Gestank ein Kleid opfern zu müssen, und will gerade in mein Zimmer gehen.
    »Ach, fast hätte ich es vergessen. Tea wird auch da sein. Sie hat sich entschieden, bei ihrem Vater mitzuarbeiten«, sagt Jenna, während sie versucht, ihren Rock zuzumachen.
    Ich kehre um.
    »Warte. Ich helfe dir.«
    Sie lässt mich gewähren und genießt diesen seltenen Moment der Nähe zwischen uns. Als ich den Reißverschluss hinaufziehe, spüre ich, wie sie die Luft anhält und den Bauch einzieht. Aber der Rock sitzt noch immer wie angegossen, und Jenna betrachtet sich mit einem erleichterten Seufzer im Schrankspiegel.
    »Tea?«, frage ich nach.
    »Genau. Gad ist sehr froh.«
    Ich zähle eins und eins zusammen und komme zu zwei Ergebnissen: Erstens, die Ärmste ist nicht zu Titos exklusivem Fest eingeladen. Zweitens, sie hat die Absicht, ihrem Vater Geld

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