Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
für ihn hatten. Als Marian bei Frau Mechtild vorbeischaute, in der Hoffnung, John dort anzutreffen, fand er seine Tante ebenfalls geschäftig Beträge in ihr großes Registerbuch eintragen und ein Grüppchen schwatzender Seidweberinnen auszahlen. John, so beschied sie ihn zwar lächelnd, aber kurz angebunden, sei bei den Tuchhändlern in ähnlicher Angelegenheit.
Gislindis und Mats sah er zwar auf dem Markt, aber auch hier schwieg der Schleifstein, und kein Gesang und Röckewirbeln lockte die Kunden, sondern Münzenklimpern war hier die einzige Musik, die ertönte.
Er kaufte sich an einem Stand eine Pastete, froh, dass er auf diese Weise wenigstens für sein leibliches Wohl sorgen konnte, und dann trabte er, ohne große Hoffnung, zu seiner Schwester. Wie nicht anders zu erwarten saß auch sie im Kontor, Tilo an ihrer Seite, und beide zählten Münzen, klapperten mit dem Abakus, trugen mit spitzen Federn Beträge in die
Bücher ein. Alyss’ Petschaft lag griffbereit neben ihr, es roch nach warmem Siegelwachs, mehrere Rollen Pergament stapelten sich bereits auf der Truhe am Fenster, und ihre Kunden gaben sich die Klinke in die Hand. Zwei Tavernenwirtinnen, der Turmwächter, Susi, die Bader Pitters Außenstände beglich, der Gehilfe des Schatzmeister der Gaffel Himmelreich waren nur einige wenige, die er in der kurzen Zeit, die er still in der Ecke ihres Kontors zubrachte, zählte.
Endlich trat eine Weile Ruhe ein, und er konnte die Aufmerksamkeit seiner Schwester auf sich lenken. Nicht die ganze, nur einen Bruchteil.
»Du siehst knurrig aus, Bruderlieb. Schenkt man dir nicht die gebührende Beachtung?«
»Münzen, nichts als klingende Münzen sind heute gefragt, keine Heilkunst, kein Trost, keine Verbände. Und wie es aussieht, scheint sich noch nicht einmal jemand beim Münzenzählen den Daumen zu verrenken.«
»Nein, denn das ist eine äußerst gesunde Tätigkeit.«
»Sie scheint deinem erbsenzählenden Gemüt wohl zu bekommen, Schwesterlieb. Du siehst zufrieden aus.«
»Die Geschäfte laufen auch zufriedenstellend, sogar säumige Zahler haben sich schon eingefunden.«
Marian spielte mit einem Federkiel und versank wieder in Missmut.
»Dir fehlt etwas, Marian.«
»Ach nein. Nein, mir fehlt nichts.«
»Doch, eine Aufgabe. Du langweilst dich. Ich kenne dich doch. Höre, ich hätte eine kleine Arbeit für dich, die dich erheitern wird. Hast du das Buch für Gislindis erstanden?«
»Ja, ein feines Bändchen in safrangelbem Leder.«
»Dann hole dir das Werk der Minnedichter aus meiner Truhe oben und übertrage eines der Gedichte davon hinein.«
Diese Vorstellung endlich erhellte Marians düstere Stimmung, und mit dem Buch unter dem Arm trottete er nach Hause, um dort in sorgfältigen und sehr schön gesetzten Buchstaben ein paar Texte zu kopieren.
Am folgenden Tag hatte er dann auch wieder mehr Glück bei seinen zahlreichen Bekannten. Wenn ihm auch sein erster Gang nicht wirklich behagte. Der Henker hieß ihn willkommen, musterte ihn nachdenklich und nickte.
»Ihr kündigt mir den Dienst auf, Herr Gehilfe.«
»Ja, Meister Hans. Ich bedaure sehr, aber ich kann Euch nicht länger zur Hand gehen. Ich … ich könnte eine Ausrede vorbringen, aber …«
»Ihr ertragt die Pein nicht. Ich verstehe. Betrüblich, denn Ihr habt ein gewisses Talent in der Behandlung von Verletzten. Vielleicht gerade wegen Eurer Empfindlichkeit?«
Glücklich war Marian nicht darüber, als zartbesaiteter Weichling dazustehen, aber er stimmte zu und versuchte dabei, einen Rest Würde zu wahren.
»Macht Euch nichts daraus, Herr Marian. Jeder nach seinen Fähigkeiten. Ihr habt mir unentgeltlich gedient, und dafür sollt Ihr zumindest eine Nachricht von mir erhalten, die Euch nützlich sein könnte. Ich habe gestern in Deutz eine Spur Eurer Flüchtigen entdeckt. Sie schnorren sich bei den Benediktinern der Abtei durch. Es sollte Euch ein Leichtes sein, sie ausfindig zu machen.«
Marian bedankte sich hocherfreut und machte sich darauf noch einmal auf die Suche nach John. Auch diesen fand er
zusammen mit Tilo, äußerst geschäftig mit einem Fuhrmann disputierend, bei Frau Mechtild vor.
»Deutz, sagt Ihr? Nun, das deckt sich mit meinen Erkenntnissen. Wartet, bis ich meine Frachtbedingungen ausgehandelt habe, dann begleite ich Euch. Es wird besser sein, wenn wir die Halunken zu zweit aufstöbern. Besorgt schon mal ein paar kräftige Riemen, damit wir sie passend verschnüren können.«
Da auch Marian den Verdacht hegte, dass
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