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Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)

Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)

Titel: Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ury
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zahlreichen Gelegenheiten ertappte ich mich dabei, dass ich reagieren wollte. Aber ich widerstand der Versuchung. Ich erkannte ihre Sorgen an und wiederholte meine eigene Sichtweise ruhig und stetig immer wieder. Sehr zu meiner eigenen Überraschung erfolgte irgendwann ein Umdenken: Die Medienvertreter baten mich schließlich sogar um die Vermittlung eines Dialogs mit dem Präsidenten.
    Wenn Sie befürchten, der Provokation des anderen langfristig nicht standhalten zu können, sollten Sie einen Freund oder Kollegen hinzuziehen. Ob stillschweigend oder nicht: Ein Verbündeter erinnert Sie an Ihr eigentliches Ziel. Er kann die Situation eingehend beobachten und vermag Sie zu beruhigen, wenn Sie die Kontrolle verlieren. Mit anderen Worten: Ihr Freund kann Ihnen als Balkon dienen.
    Nutzen Sie die Macht, nicht zu reagieren
    Das bewusste Vermeiden einer Reaktion verleiht Ihnen ungeheure Macht.
    In einem spätabendlichen Meeting mit Präsident Chávez und seinem Kabinett wütete dieser gegen seine politische Opposition. Eine geschlagene Stunde lang schleuderte er mir seinen Zorn und seine Frustration ins Gesicht. Er deutete an, dass ich genauso wie andere neutrale Beobachter mit Blindheit geschlagen sei. Natürlich hatte ich sofort das Gefühl, mich und meine Kollegen verteidigen zu müssen, aber ich spürte, dass ihn dies nur noch wütender machen würde. Ich fragte mich zudem, ob er mit seinem Verhalten nur Härte zur Schau stellen wollte, um seine Minister zu beeindrucken. Also holte ich tief Luft, kniff mir in die Handfläche, um mich zu konzentrieren, und wartete, dass er die verschiedenen Stadien von Wut über Trauer bis hin zu Akzeptanz durchlebte. Und tatsächlich: Nach einer Stunde wurde er ruhiger und fragte mich mit leicht gereizter und resignierter Stimme: »Ury, was würden Sie mir raten?« Auf diese Gelegenheit hatte ich gewartet. Jetzt hatte ich seine ganze Aufmerksamkeit. Nun konnte ich ihm das unterbreiten, was ich ihm von Anfang an hatte vorschlagen wollen, nämlich eine Auszeit über Weihnachten, sodass sämtliche Konfliktparteien etwas Zeit auf dem Balkon verbringen und die Menschen die Ferien genießen konnten. Schon bald danach unterhielt sich der Präsident in liebenswürdigem Ton mit mir. Er lud mich sogar ein, mir mit ihm die Gegend anzuschauen. Folgende Lektion lernte ich daraus: Vermeiden Sie es zu reagieren, schauen Sie sich das Drama genau an und warten Sie auf Ihre Gelegenheit zum Antworten.
    Sobald Sie reagieren, überlassen Sie dem anderen die Kontrolle über die Situation. Wer nicht reagiert, hat mehr Macht und Einfluss. Nichts illustriert dieses Prinzip besser als die Entwicklungen in Südafrika während der politischen Übergangsphase von der Apartheid zur Mehrheitsregierung. Im April 1993 töteten Attentäter Chris Hani, einen äußerst populären und respektierten schwarzen Anführer. Tokyo Sexwale, ein führendes Mitglied des ANC (African National Congress) und enger Freund Hanis, beschreibt die darauf folgenden Geschehnisse: »Der Zwischenfall um Chris Hani hätte fast all unsere Bemühungen zunichte gemacht: unser Streben, unsere Versöhnung, unsere Entschlossenheit, ein vereintes Volk zu sein, und vor allem unsere Vision – von der Einführung der Demokratie, vom Ende des Krieges, vom Schweigen der Waffen und von Kindern, die Rosen in die Gewehrläufe stecken.
    Sein Schädel war zerschmettert. Dieser Tag war einer der schlimmsten meines Lebens: An jenem Morgen weckte man mich mit der Nachricht, dass auf Chris geschossen worden sei. Ich rannte gleich hinüber (wir waren direkte Nachbarn) und erwartete, dass man mir sagen würde: ›Wir müssen Chris ins Krankenhaus bringen.‹ Aber als ich ihn sah, war mir sofort klar, dass er tot war. Was sagt man in solch einem Augenblick? Man hat die Wahl. Entweder man steht da und sagt vor den Hunderten von Medienvertretern: ›Auf in den Krieg!‹, womit man das Gefühl der Mehrheit, einer überwältigenden Mehrheit – und insbesondere der schwarzen Südafrikaner – in Worte gefasst hätte. Ich meine, Chris zu töten war eine unvorstellbare, wenn nicht gar die schlimmste Provokation, die man sich denken kann …
    Wir hätten das Pulverfass täglich zünden können. Schon nach Nelson Mandelas Rückkehr aus der Transkei hätte Bürgerkrieg geherrscht. Immerhin waren wir zu diesem Zeitpunkt die Oberbefehlshaber unserer Truppen, und die Menschen wären uns gefolgt.«
    Aber Sexwale, Mandela und die übrigen Mitglieder des ANC hielten ihre Gefühle

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