Neobooks - Dreck muss weg!
nervtötend. Von den Angestellten hatte niemand den Bulli, geschweige denn den Fahrer des Bullis bemerkt. Das an dem Abend diensthabende Personal war voll und ganz mit dem Einbruch im Kiosk beschäftigt gewesen, der allerdings in keinem Zusammenhang mit dem Hamburger Wagen stand.
»Was meinen Sie, wie viele Fahrzeuge hier am Tag halten? Da kriegt man einzelne Autos nicht mit.« Der Manager zuckte mit den Schultern.
Marga und Joki suchten und fanden die Stelle, an der der Bulli gestanden hatte, als die Überwachungskamera ihn mit aufs Bild bekam. Grauer Asphalt. Hier war nichts zu holen.
Marga war genervt. Und musste aufs Klo. »Moment noch eben, Joki.« Sie verschwand durch den gekachelten Flur in den hellen Tiefen der Fliesenwelt. Beim Rausgehen warf sie der Putzfrau, die sich mit Tisch und Stuhl häuslich niedergelassen hatte, die geforderten fünfzig Cent auf den Teller. Das Panorama gab es gratis. Joki saß schon im Auto, Marga konnte ihn gut erkennen. Der totale Überblick erschloss sich ihr aus dem Toilettenflur. Marga steckte das Portemonnaie wieder ein. »Hatten Sie vielleicht auch an dem Nachmittag Dienst, als der Kiosk überfallen wurde?«
Die Klofrau drehte Däumchen: »Ich bin jeden Nachmittag hier.«
»Können Sie sich auch an einen dunkelroten Bulli erinnern? Der Fahrer muss den Wagen kurz nach drei Uhr da vorne geparkt haben.«
»Nee.«
Marga seufzte, einen Versuch war’s wert gewesen. »Na dann, schönen Tag noch.«
»Das war ’ne Fahrerin.«
»Bitte?«
»Den Bulli hat eine Frau gefahren. Groß und dünn war sie. Aber bezahlt fürs Strullern hat sie nicht.«
Zurück in Emden, war es mittlerweile nach sieben. Aber sie hatte die Personenbeschreibung der Fahrerin im Gepäck. Die Fahrt nach Hasbruch hatte sich doch gelohnt. Marga bat Joki, sie an der Auricher Straße, Ecke Bolardusstraße aussteigen zu lassen. Die Trauerweiden des Stadtwalls ragten bis ins Wasser des Fehntjer Tiefs. Ein einsamer Jogger mit Stirnlampe drehte seine Runden. Hinter den Fenstern von Peters Wohnung brannte Licht, gut, dass er zu Hause war.
Theda schiebt das Eisen fest unter den Rand der Manschette, damit nicht die kleinste Falte zurückbleibt. Der heiße Dampf tritt in Stößen aus und zieht erst warm, dann kalt an ihrem Gesicht vorbei. Rechtzeitig zu Ferienbeginn tobt der erste Herbststurm über Ostfriesland. Das Totholz fällt unberechenbar aus den Baumkronen, und der Wind drückt den Regen gegen die Fenster. Petra sitzt auf der Eckbank und malt. Ganz vertieft ist sie. Wie schön sie den Stift hält, seit sie zur Schule geht. Behutsam stellt Petra ihren Becher mit Kakao zurück, nachdem sie getrunken hat. Ein brauner Schnurrbart hält sich fest an den feinen Härchen ihrer Kinderlippe, und manchmal blitzt ihre Zunge hervor, wenn sie sich besonders anstrengt. Theda lächelt. Es ist gut, wenn Petra sich zu beschäftigen weiß. Sind die Hände in Bewegung, kommt der Kopf nicht auf dumme Gedanken. Theda streicht ein letztes Mal über das Hemd und korrigiert den Kragen, dann hängt sie es auf den Bügel und nimmt sich das nächste. Es ist immer gut, wenn die Hände in Bewegung sind. Und trotzdem. Plötzlich surrt die Luft wie ein elektrischer Weidezaun. Theda fühlt es kommen. Petras Stimme ist leise. »Am liebsten würde ich hierbleiben.«
Die Knopfleiste ist dran. Vor und zurück bügelt Theda zwischen den Knöpfen. Sie muss aufpassen, darf ihnen nicht zu nahe kommen. Unaufhaltsam, aber daran vorbei. Ihre Hände fliegen jetzt über das Hemd.
Petra hat den Stift zur Seite gelegt und blickt sie an.
Dampf, Theda benötigt mehr Dampf und hüllt sich ein in eine Wolke aus Wasser und Schweigen. Reden ist Silber, und Theda ist die Goldmarie. Und Petra nimmt den grünen Stift und malt weiter.
Marga freute sich auf ihren dicken Ludger. Ihre Hände fingen an zu schwitzen. Warum war sie so aufgeregt? Ludgers Begrüßung glich einer Sturmflut. Er kam als blonde, haarige Welle mit nasser Zunge und Naturgewalt. Peters Begrüßung war leise und warm. Wie Sonnenstrahlen im Frühling. Mitte März vielleicht. Oder eher April, denn in Margas Magen wurde es gleichzeitig heiß und kalt. Warum war ihr eigentlich noch nie aufgefallen, was für unglaublich schöne Unterarme Peter hatte?
[home]
Kapitel 35
Hamburg-Neustadt, Wincklerstraße
D as Hemd spannte sich über Brust und Plauze. Kalle warf es in den Müll. Im Spiegel sah er nur Fett, schwabbelig, unerfreulich. Schließlich entschied er sich für das dunkelgraue
Weitere Kostenlose Bücher