Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson

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riesiges Datenkonstrukt.«
    »Ich bin hier, um Sally zu warnen. Swain und Robin Lanier haben vor, sie den Leuten auszuliefern, die Angela Mitchell entführen wollen.«
    »Da mach dir mal keine Sorgen«, sagte er, als er am oberen Ende der Treppe ankam. »Sally hat sich die Mitchell bereits geschnappt und Swains Mann im Sprawl halb umgebracht. Die sind jetzt sowieso hinter ihr her. Bald werden so gut wie alle hinter ihr her sein. Aber wir können ihr Bescheid geben, wenn sie einsteckt. Falls sie einsteckt …«

    Tick bewohnte einen einzigen großen Raum, dessen eigenartiger Grundriss darauf schließen ließ, dass man Zwischenwände entfernt hatte. So groß das Zimmer war, so voll war es auch. Kumiko kam es so vor, als hätte jemand den Inhalt eines Akihabara-Modulshops in einem Raum verteilt, der im Gaijin-Stil bereits mit zu vielen sperrigen Möbeln angefüllt war. Trotzdem war das Zimmer verblüffend sauber und ordentlich. Die Kanten der Zeitschriften waren nach den Kanten des niedrigen Glastisches ausgerichtet, auf dem sie neben einem unbenutzten schwarzen Keramikaschenbecher und einer schlichten weißen Vase mit Schnittblumen lagen. Sie probierte es noch einmal mit Colin, während Tick Wasser aus einem Krug in den Elektrokocher füllte.
    »Was ist das?«, fragte er, als er den Krug hinstellte.
    »Ein Maas-Neotek-Führer. Er ist kaputt. Colin kommt nicht mehr.«
    »Colin? Ein Stim-Gerät?«
    »Ja.«
    »Zeig mal her …« Er streckte die Hand aus.

    »Mein Vater hat es mir gegeben.«
    Tick stieß einen Pfiff aus. »Das Ding kostet ein Vermögen. Ist’ne kleine KI. Wie funktioniert’s?«
    »Man schließt die Hand darum, und Colin ist da, aber niemand sonst kann ihn sehen oder hören.«
    Tick hielt sich das Gerät ans Ohr und schüttelte es. »Kaputt? Wie ist das passiert?«
    »Es ist mir runtergefallen.«
    »Da ist nur das Gehäuse kaputt, siehste? Das Biosoft hat sich vom Gehäuse gelöst, so dass man keinen manuellen Zugriff mehr drauf hat.«
    »Kannst du es reparieren?«
    »Nein, aber wir können mit einem Deck rankommen, wenn du willst.« Er gab es ihr zurück. Das Wasser kochte.
    Beim Tee erzählte sie ihm von ihrem Ausflug ins Sprawl und von Sallys Besuch beim Schrein in der Gasse. »Er hat sie Molly genannt«, sagte sie.
    Tick nickte und zwinkerte mehrmals rasch hintereinander. »So hat sie drüben geheißen. Worüber haben sie gesprochen?«
    »Über einen Ort namens Straylight. Einen Mann namens Case. Und über eine Feindin …«
    »Tessier-Ashpool. Das hab ich für sie rausgefunden, als ich Swains Datenstrom gecheckt hab. Swain verkauft Molly an diese sogenannte Lady 3Jane. Die hat die saftigsten Daten über schmutzige Interna, die man sich vorstellen kann – über alles und jeden. Ich hab mich höllisch gehütet,’nen genaueren Blick draufzuwerfen. Swain verhökert das Zeug in großem Stil und sahnt dabei tierisch ab. Ich wette, sie hat auch’ne Menge Material über unseren Mr. Swain in petto.«
    »Und sie ist hier in London?«
    »Irgendwo im Orbit, wie’s aussieht, obwohl manche Leute behaupten, dass sie tot ist. Ich war übrigens gerade dabei, das
zu checken, als plötzlich dieser Kawenzmann in der Matrix aufgetaucht ist.«
    »Wie bitte?«
    »Hier, ich zeig’s dir.« Als er zu dem weißen Frühstückstisch zurückkam, hatte er ein flaches, viereckiges Tablett mit einer Reihe kleiner Regler an einer Seite dabei. Er stellte es auf den Tisch und berührte einen der winzigen Schalter. Ein würfelförmiges Holo erschien über dem Projektor: das Neongitter des Cyberspace, durchsetzt von den teilweise schlichten, teilweise komplexen bunten Formen, die riesige Datenansammlungen versinnbildlichten. »Das sind die üblichen Großklötze. Multis.’ne ziemlich unveränderliche Landschaft, könnte man sagen. Manchmal wächst so’nem Ding ein Annex, oder man kriegt eine Übernahme zu sehen, bei der zwei davon verschmelzen. Aber dass man was Neues zu sehen bekommt, ist unwahrscheinlich, jedenfalls nichts in dieser Größenordnung. Sie fangen klein an und wachsen, verschmelzen mit anderen kleinen Formationen …« Er streckte die Hand aus und betätigte einen anderen Schalter. »Vor etwa vier Stunden« – und genau in der Mitte des Displays erschien eine schlichte, weiße, vertikale Säule – »tauchte das hier auf. Oder ein.« Die bunten Würfel, Kugeln und Pyramiden waren sofort auseinandergerückt, um der weißen Rundsäule Platz zu machen, die sie winzig klein erscheinen ließ; das obere Ende des