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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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umtaperten. Ich setzte mich hin und schrieb einen la n gen Brief an meinen Onkel. Ich hatte gerade mit einem zwe i ten an meinen Vater angefangen, in dem ich ihm meine Furcht anvertraute, ausgesondert zu werden, als Sergeant Rufet höchstpersönlich in unserem Aufenthaltsraum e r schien. Außerhalb seiner Inspektionsrunden b e quemte er sich selten zu uns nach oben, und deshalb w a ren wir so überrascht, dass wir alle sofort aufsprangen. Seine Miene war sehr ernst, als er sagte: »Kadett Burve l le, kommen Sie mit mir. Sie sollen sich auf der Stelle bei Oberst Stiet melden.«
    Rasch drückte ich meinen Brief Spink in die Hand mit der Bitte, ihn für mich aufzugeben, und holte meinen Mantel. Rufet war so nett, mir einen Moment Zeit einz u räumen, damit ich mir die Haare und meine Uniform glattstreichen konnte. Ich folgte ihm nach unten und b e kam einen Schreck, als er nicht an seinen Tisch zurüc k kehrte, sondern mich nach draußen begleitete. »Ich kenne den Weg, Sergeant«, sagte ich verdutzt.
    »Befehl«, sagte er. »Ich soll Sie persönlich hinbringen, Kadett.«
    Er hörte sich an, als brumme ihm der Schädel genauso heftig wie meinen Kameraden, und so ging ich schwe i gend und voller Angst neben ihm her. Ich wusste, dass mich nichts Gutes erwartete. Rufet bat den Adjutanten des Obersts, mich hereinzulassen. Ausnahmsweise sah ich einmal nichts von Caulder. Als die Innentür von Oberst Stiets Büro aufging, blieb Sergeant Rufet draußen stehen. Dann schloss sich die Tür hinter mir.
    Der Raum kam mir dunkel vor nach der Helligkeit des Wintertages draußen. Trotz des Feiertags saß Oberst Stiet in voller Uniform an seinem Schreibtisch. Er starrte mich ohne jede erkennbare Regung an, als ich den Raum durchquerte. Seine Augen sahen müde aus, und die Fa l ten in seinem Gesicht erschienen mir tiefer, als ich sie in Erinnerung hatte. Ich blieb vor seinem Schreibtisch st e hen, nahm Haltung an und sagte: »Kadett Burvelle me l det sich wie befohlen, Sir.«
    Er starrte mich an. In seinen Augen loderte kalte Wut. Er hatte irgendetwas geschrieben, als ich hereinkam. Damit fuhr er jetzt fort, ohne ein Wort an mich zu ric h ten. Als er zu Ende geschrieben hatte, setzte er mit e inem schwungvollen Schnörkel seine Unterschrift unter das Schreiben, und dann, während er Sand über die Tinte streute, sagte er: »Mein Sohn hätte letzte Nacht sterben können, Kadett Burvelle. Ist Ihnen das bewusst?«
    Ich stand einen Moment lang still und stumm da. Dann antwortete ich wahrheitsgemäß: »Erst seit Doktor Am i cas es mir sagte, Sir. Und dann habe ich exakt das getan, was er mir auftrug, Sir.« Ich wollte ihn fragen, ob es Caulder heute schon wieder besser ging, aber ich traute mich nicht.
    »Und davor, Kadett? Was haben Sie getan, bevor Sie dem Doktor begegneten?«
    Ich spürte, wie sich eine lähmende Stille in mir au s breitete; ich hatte das Gefühl, dass alles von dieser An t wort abhing. Wahrhaftigkeit war alles, was ich hatte. »Ich habe versucht, ihn wachzuhalten, Sir. Er war fast bewusstlos, als ich ihn fand, und ich befürchtete, dass, wenn er in diesem Zustand auf dem Großen Platz z u rückbliebe, er erfrieren oder zu Tode getrampelt werden könnte. Also trug ich ihn vom Platz zum Droschkenha l teplatz und schaffte ihn nach Hause.«
    »Das habe ich gehört, Kadett. Sowohl vom Doktor als auch von meinen Bediensteten. Und davor, Kadett Bu r velle? Was haben Sie davor gemacht? Haben Sie ve r sucht, ihn davon abzuhalten, so viel zu trinken? Haben Sie vielleicht gedacht, dass es unklug sein könnte, einen Knaben von Caulders Alter dazu zu drängen, eine ganze Flasche billigen Fusels auszutrinken?«
    »Sir, damit hatte ich nichts zu tun!«
    »Das habe ich Sie nicht gefragt!«, brüllte der Oberst mich an. »Beantworten Sie meine Frage! Hätten Sie das Gleiche auch mit einem anderen Jungen seines Alters getan? Finden Sie nicht, dass es eine überaus billige R a che für kindliche Gedankenlosigkeit ist, einem Jungen Schnaps einzuflößen?«
    Ich starrte ihn an, außerstande zu begreifen, wessen er mich da bezichtigte. Mein Schweigen schien seine Wut nur noch stärker anzufachen. »Er ist noch ein Kind, K a dett Burvelle! Ein kleiner Bub, der für jeden Unfug zu haben ist. Er ist zwar mein Sohn, aber selbst ich muss zugeben, dass er nicht immer das tut, was die Vernunft gebietet. Aber was soll man von einem Heranwachse n den auch anderes erwarten? Was auch immer Sie gegen ihn haben, es kann nicht so etwas Schlimmes sein,

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