Niewinter 01 - Gauntlgrym
Seitenwand der großen Schmiede.
»Da hinten gibt es noch mehr zu sehen«, erklärte Dor’crae, »aber bei meinem letzten Besuch konnte ich die Tür nicht öffnen. Ich musste den Riegel mit anderen Mitteln umgehen.«
Athrogate war bereits an der Tür, wo er erneut seinen Reim anstimmte. Dann jedoch stockte er und schob einfach den Riegel weg, der problemlos nachgab und einen kurzen Durchgang zur nächsten glänzenden Tür enthüllte.
Der Vampir zuckte bei ihren zweifelnden Blicken nur mit den Schultern.
Dahlia ging voran, doch die nächste Tür ging nicht auf, so fest sie auch dagegendrückte. Erst als Athrogate vortrat und sie berührte, schwang sie mit Leichtigkeit auf.
»Diese alten Zwerge müssen über große Magie verfügt haben, wenn ihre Türen jemanden von ihrem Blut erkennen«, bemerkte Jarlaxle.
»Oder einen König von einem Bauern unterscheiden können«, ergänzte Athrogate, der sich an den Thron erinnerte.
Ab hier ging der Zwerg voran. Nach zwei weiteren Türen hörte die Gruppe ein Rauschen wie von einem riesigen Wasserfall. Die Luft wurde feucht und stickig. Der Tunnel schlängelte sich noch ein ganzes Stück weiter, bis er auf einem Sims endete, der um eine längliche, von Dampf erfüllte Höhle herumführte, in deren Mitte ein sehr breites und überaus tiefes Loch gähnte. Und hier verschlug das Rätsel von Gauntlgrym Zwerg, Drow, Elfe, Vampir und Lich gleichermaßen den Atem.
Beim Blick in den tiefen Schacht konnten sie kaum dessen Wände erkennen. Hier drehte sich unablässig ein kreisrunder Wasserwirbel wie eine sich brechende Sturmflut oder ein ewiger tosender Strudel. Das Wasser wirbelte bis in die Tiefe, wo es auf einen blubbernden Lavasee traf. Es zischte laut, wenn sich in der Hitze Dampf bildete, der hoch oben durch Kamine abzog.
Und irgendwie schien das orangerote Leuchten dort unten mehr zu sein als geschmolzenes Gestein und lebloses Magma. Es erinnerte an ein großes Auge, das hasserfüllt zu ihnen hochstarrte.
»Wir sind unter diesen Dampfkammern«, stellte Athrogate fest. »Da oben ist wohl ein Abzug verstopft.«
»Da drüben«, bemerkte Dor’crae. Er zeigte auf eine schmale Metallbrücke – zum Glück mit Geländer –, die sich über die Grube spannte und gegenüber zu einem breiten, schön verzierten Bogen führte. Der kleine Raum dahinter war kaum zu erkennen. »Da ist noch mehr.«
Sylora und die Ashmadai konnten den Hass der Zwergengeister fühlen, die sie umringten, aber die Magierin von Tay hielt den glühenden Kristallschädel hoch, dessen Macht ausreichte, um die alten Beschützer von Gauntlgrym zurückzuhalten.
Sie kamen auch an der dummen, übereifrigen Ashmadai-Frau vorbei, die den Raum betreten hatte, ohne zuvor mit Sylora zu sprechen. Die Geister hatten sie vor den Augen der anderen im Handumdrehen auf grauenvolle Weise zerrissen.
Aber das zählte nicht. Sie waren Ashmadai, und ihre Kameradin war im Dienste ihres Gottes gestorben. Als sie über die verstreuten Glieder ihrer Tieflingsschwester stiegen, sprach jeder ein Gebet zu Asmodeus.
»Ich kann ihn nicht berühren«, gab Dor’crae zu, der vor einem großen Hebel im Boden des kleinen Raums – eher einer Nische – jenseits der Brücke über die Lavagrube stand. »Als ich es versucht habe, hat er mich zurückgestoßen. Er wird von starker Magie geschützt.«
»Den kann nur ein Zwerg bewegen, du Dummkopf. Genau wie die Türen.«
»Untersteh dich!«, warnte Jarlaxle. Der Drow stand ein Stück entfernt, wo er die alten Runen im gewölbten Durchgang betrachtete. Er aktivierte eine der Funktionen seiner zauberkräftigen Augenklappe, mit deren Hilfe er fast jede bekannte Sprache verstehen konnte, sogar die magischen, doch diese Schrift überstieg selbst die Macht der Augenklappe. »Wir haben keine Ahnung, was du damit anrichtest.«
Damit wandte er sich wieder den Runen zu, die wirklich sehr alt waren. Einige waren einer alten Elfensprache entnommen, die Jarlaxles Muttersprache, dem Drow, ähnelte, andere waren Altzwergisch. Die genauen Worte konnte er nicht entziffern, aber er hielt sie für eine Art Würdigung, vielleicht eine feierliche Erzählung über etwas Großartiges, das dieser Bereich symbolisierte.
Währenddessen schob sich Athrogate unwillkürlich immer dichter an den Hebel heran und leckte sich bereits begierig die Lippen. Als er unmittelbar davorstand, legte ihm Jarlaxle eine Hand auf die Schulter, um ihn aufzuhalten. Nachdem der Zwerg aufgeschaut hatte, folgte er dem Blick des Drow an die
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