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nmp08

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Titel: nmp08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Drehbuch roch leicht nach Mottenpulver,
die Dialoge hätten einen starken Kaffee gebraucht. Dann wären sie etwas
aufgekratzter gewesen. Aber dafür führte Jacques Dorly ganz anständig Regie,
und die schauspielerische Leistung von Lucie Ponceau übertraf bei weitem die
Erwartungen. Die fünfzehn Jahre Abstinenz hatten ihre Fähigkeiten nicht
einrosten lassen. Sie wirkte immer noch so jung wie in Verwundeter Engel ,
ein Film, nach dem jeder Zuschauer älter aussah. Als das Wort ENDE auf der
Leinwand erschien, erhob sich das Premierenpublikum und spendete
langanhaltenden Beifall.
    „Los“, zischte Marc Covet.
    Eilig verließen wir das Kino.
Mir war es gelungen, meinen Wagen direkt vor dem Eingang zu parken. Wir stiegen
ein, ich fuhr los. Es war immer noch furchtbar heiß. Der Fahrtwind
zerstrubbelte zwar unsere Haare, erfrischte uns jedoch kein bißchen. Eine
schöne Nacht. Schön und heiß. Ich dachte an Denise Falaise und an das, was bei
ihr das Talent ersetzte. Tröstlich zu wissen, daß Talent — echtes Talent — , auch wenn es lange Zeit in Vergessenheit gerät, am Ende
doch seine Ansprüche geltend macht.
    „Halt“, sagte Covet. „Wir sind
da.“
    Vor uns erhob sich ein hübscher
Renaissance-Bau, der durch einen kleinen Garten von der Straße getrennt war. In
der ersten Etage brannte Licht.
    „Prima!“ rief Covet. „Wir sind
die ersten.“
    Er sprang aus dem Wagen und
läutete an dem Gittertor Sturm. Dann merkte er, daß das Tor nur angelehnt war.
Ohne eine Reaktion auf das Läuten abzuwarten, stürmte er — wie einer, der sich
alles rausnehmen kann — über den Kiesweg. Als Feind der verlorenen Zeit hielt er
schon Block und Stift in der Hand. Ich rannte hinter ihm her. Schon standen wir
oben auf der Außentreppe. Noch immer hatte sich niemand auf das Läuten
gemeldet. Der Journalist suchte, fand und drückte einen Klingelknopf. Drinnen
läutete es. Sehr weit weg, wie mir schien. Und dann Stille. Nichts als Stille.
Nur ein leichter Windhauch. Die Bäume im Parc de Monceau raschelten, ärgerlich
über die Störung. Der Wind wehte sanft, es war immer noch heiß. Eher noch
heißer als vorher. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn.
    „Keiner da“, knurrte Covet
mißmutig. „Bin reingelegt worden. Scheißtip!“
    Ich trat einen Schritt zurück,
sah an der Fassade hoch. Oben brannte nach wie vor Licht.
    „Kein Personal?“ fragte ich.
    „Weiß ich nicht. Wenn ja, dann
haben die’s nicht grade eilig.“
    „Sind doch wohl nicht taub
geworden, mit dem Alter...“
    „Keine Ahnung.“
    Er drückte wieder auf den
Klingelknopf. Das Läuten schien mir anders als vorher: schrill, unangenehm,
leicht spöttisch.
    „Hallo!“ rief Covet plötzlich.
    Er hatte sich gegen die Tür
gelehnt. Sie bewegte sich langsam in den geölten Angeln.
    „Wenn wir schon mal so weit
sind“, sagte ich. „Nur zu!“
    Wir betraten eine dunkle Halle.
    „Mademoiselle Ponceau!“ rief
Covet. „Wir sind von der Presse. Vom Crépuscule. Ein Triumph, Mademoiselle...
Ein Riesentriumph... „
    Die Worte verhallten in der
feindlichen Stille.
    „Sehen wir doch mal oben nach“,
schlug ich vor. „Da, wo das Licht brennt.“
    Wir gingen nach oben. Unter
einer Tür hindurch drang Licht auf den Treppenabsatz. Diese Tür war
genausowenig verschlossen wie die, durch die wir bereits gekommen waren.
Dahinter befand sich ein hübsches Zimmer. Komfortabel bis luxuriös. Ein
Bücherregal beherrschte eine Wand. Das oberste Fach war vollgestellt mit
Filmpreisen. Auf einem Tischchen stand ein Telefon. Eine Wanduhr tickte
vornehm. Zwei dicke Bücher mit Ledereinband lagen auf dem Teppich, wie müde
hingeworfen. Wie ich später feststellte, war das erste die gebundene Sammlung
einer alten Filmrevue. Das andere enthielt unzählige Zeitungsausschnitte, die
den Filmstar auf der Höhe seiner Karriere besangen. Links und rechts neben dem
Regal hing je ein Bild von Lucie Ponceau, signiert von berühmter Hand. Hier und
da bemerkte ich hinter Glas Fotos der Schauspielerin, alle aus ruhmvoller Zeit,
alleine oder im Kreise von Kollegen.
    Die Schauspielerin selbst lag
auf dem Bett, die Augen geschlossen. Das Licht einer eleganten Nachttischlampe
fiel auf ihr Gesicht. Eine alte Frau, älter als es in ihrem Ausweis stand, viel
älter als die Frau, die ich eben vor einer Viertelstunde auf der Leinwand
gesehen hatte. Sie trug einen Seidenpyjama mit altmodischem Muster. Ihre
gefärbten Haare lagen unordentlich um ihr hageres, kränkliches Gesicht.
    „Großer

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