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begannen
die Schwierigkeiten. Man mußte an einem ziemlich unfreundlichen Wachposten
vorbei, der unter einem Schild (Rauchen verboten!) vor sich hindöste und
Kautabak kaute. Er schielte auf meine Pfeife, hielt aber die Klappe, als ich
nach Laumier fragte. Schob mir nur einen Abreißblock
über den Tisch, der ihm manchmal sicher als Kopfkissen diente. Ein fanatischer
Anhänger des Stummfilms! Ich füllte den Zettel aus: Name des Besuchers und
Grund seines Besuches. Wegen Telefonanruf, schrieb ich zu dem zweiten
Punkt. Inzwischen hatte der Wächter einen Laufburschen herbeigeklingelt. Der
lief mit dem Zettel in ein Gebäude mit der Aufschrift Studio D. Wenig
später kam er mit einem anderen Zweibeiner wieder, der kaum älter war als er
und betont schlampig gekleidet. Man sah ihm den Regieassistenten auf hundert
Meter an.
„Monsieur Laumier bittet Sie,
ihn noch für einen Moment zu entschuldigen. Wenn Sie in der Bar warten
möchten...“ Ich folgte ihm in einen kühlen, sehr dunklen Flur. Einige Statisten
lungerten untätig herum. Mein Führer stieß die Tür zur Bar auf. Außer drei
Bühnenarbeitern, die an der Theke eine Partie 421 spielten, war der Raum leer.
Eine leicht verblühte Bedienung lauschte dem Radio.
„Was darf ich Ihnen bestellen,
Monsieur?“ fragte mich der Assistent.
„Whisky.“
„Zweimal. Mélie. Auf Monsier
Laumiers Rechnung.“ Komentarlos stellte die Frau die Getränke vor uns hin. Mein
Nebenmann musterte mich neugierig. Die Würfel knallten auf die Theke. Der Gewinner
ließ alle an seiner Freude teilhaben.
„Revanche?“ schlug die
Verliererseite vor.
„Nicht daß die uns im Studio
vermissen“, sagte einer mit Seitenblick auf den Assistenten. „Was meinst du,
Charlie?“
„Könnt ruhig noch
weitermachen“, erlaubte Charlie. „Monsieur Laumier braucht Zeit.“
„Glaub ich dir glatt“, lachte
einer der Würfelspieler. „Die braucht er. Bestimmt Zeitlupenaufnahmen.“
„Uns soll’s recht sein“,
bemerkte sein Kollege. „Schließlich werden wir nach Tagen bezahlt, oder? Je
länger das dauert...“
„Der geht immer sparsam mit dem
Filmmaterial um.“
„Einmal mußten wir Pause
machen, weil nicht genug Filmrollen vorrätig waren.“
„Bestimmt nicht Monsieur
Laumiers Schuld“, widersprach der Assistent spitz. „In den letzten Tagen sind
ganze Wagenladungen mit unbelichteten Filmen angekommen, völlig jungfräulich.“
Die Bühnenarbeiter lachten laut
auf.
„Jungfräulich? So was...“
„Passiert hier auch nicht oft,
hm?“
„Doch, die kommen jungfräulich
rein, und...“
So ging’s ‘ne Weile hin und
her. Charlie hob resigniert die Schultern. Die Frau hinter der Theke ebenfalls,
blickte zusätzlich noch gelangweilt zur Decke. Vorübergehend sah sie recht
unschuldig aus. Diesen mehr oder weniger glaubwürdigen, aber jedenfalls äußerst
fotogenen Ausdruck behielt sie bei, bis ein paar Statisten reinkamen. Die
Bühnenarbeiter hatten inzwischen die nächste Partie begonnen. Einige Statisten
folgten ihrem Beispiel, andere tranken nur schnell etwas. Einer hob den
störenden Schnurrbart an und bemerkte, er habe den Eindruck, heute passiere nichts
Großartiges mehr.
Nach einer Weile klingelte das
Telefon hinter der Bedienung. Sie nahm den Hörer, versuchte trotz des
allgemeinen Durcheinanders was zu verstehen, legte dann wieder auf und sagte zu
Charlie:
„Monsieur Laumier. Für den
Monsieur, der zu Monsieur Laumier wollte.“
„Wenn Sie mir bitte folgen
möchten“, forderte mich der Assistent auf.
Wir überquerten wieder den Hof.
Ein paar Statisten standen um einen dicken Schlitten herum. Charlie lotste mich
durch ein Labyrinth von Gängen. Ständig kamen uns irgendwelche geschäftigen
Leute entgegen. Schwer zu sagen, was sie zu tun hatten. Ich blieb meinem
Zauberlehrling hart auf den Fersen. Wir überquerten zwei Aufnahmeflächen, die
ver staubt und traurig im Halbdunkel lagen, auf dem Boden heimtückische
Kabelschlangen. Dann stiegen wir eine Treppe hoch und gelangten endlich zum Garderoben-Büro des
produzierenden Regiesseurs. Charlie klopfte, steckte seinen Kopf ins Zimmer,
meldete mich an und verschwand. Ich wurde von einem Kerl in Empfang genommen,
der gut einen Kopf größer war als ich: Jean, der Mann, der offensichtlich einen
so großen Einfluß auf Laumier hatte. Fünfzig Prozent Diener, fünfzig Prozent
irgendwas anderes. Diener vom Blick her, vom Lächeln — das er mir zu Ehren bis
zur Herzlichkeit trieb. Irgendwas anderes — vielleicht
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