Nur dein Leben
noch bei keinem Kinderschänderring erlebt.«
»Und was ist mit den Aposteln des Dritten Jahrtausends?«, fragte John.
Pelham warf seinem Kollegen einen kurzen Seitenblick zu und sah dann wieder John und Naomi eindringlich an. »Ich weiß vom FBI , dass sie kurz vor einem Durchbruch stehen.«
»Was für eine Art Durchbruch?«, fragte Naomi mit neuer Hoffnung.
»Das hat man uns nicht mitgeteilt.«
»Toll!«, murmelte sie verbittert.
»Eines verstehe ich nicht ganz«, sagte John. »Woher wissen Sie so genau, dass es Luke und Phoebe waren, die den Ärmelkanaltunnel durchquert und in diesem Flugzeug gesessen haben? Sie scheinen sich Ihrer Sache sehr sicher zu sein.«
Tom Humboldt antwortete: »Ich bin heute nach Ashford gefahren und habe den Zollbeamten befragt, der die Kinder gesehen hat. Er sagt, er hätte ein wenig mit der Familie geplaudert. Sie reisten alle mit amerikanischen Pässen und behaupteten, auf einer Europarundreise zu sein. Daraufhin bemerkte er, mit den Kindern auf dem Rücksitz des kleinen Sportwagens könnten sie ja nicht viel Gepäck dabeihaben. Der Mann, den er für den Vater hielt, erwiderte ebenfalls scherzhaft, das Auto sei ein richtiger Flitzer und bringe sie so schnell überallhin, dass sie nicht viel Gepäck bräuchten.«
»Und der Mann am Zoll wurde gar nicht misstrauisch?«, fragte John.
»Er sagte, im Nachhinein habe er das Gefühl gehabt, dass irgendetwas nicht stimmte, aber er hatte keinen konkreten Anhaltspunkt«, erwiderte Humboldt.
»Hat er sie sich denn wirklich genau angeschaut?«, bohrte Naomi.
»Ja. Er ist sich hundertprozentig sicher, dass es Ihr Sohn und Ihre Tochter waren.«
»Hat er irgendetwas darüber gesagt, welchen Eindruck sie machten? Haben sie verzweifelt, ängstlich oder durcheinander gewirkt?«
»Nein, er hat nichts gesagt.«
»Trottel!«, schimpfte Naomi. »So ein Trottel! Er schöpft Misstrauen, unternimmt aber nichts? Wozu ist er denn da?«
Alle schwiegen für einen Moment.
Dann sagte Pelham: »Unter den gegebenen Umständen halte ich es nicht für ratsam, dass Sie nach Hause zurückkehren – jedenfalls solange wir nicht mehr über die Identität der Frau in Erfahrung gebracht haben, die Bruce Preston getötet hat. Wenn Sie einverstanden sind, bringe ich Sie an einen sicheren Ort und stelle Sie unter Polizeischutz. Wir haben einige Unterkünfte in der Polizeidienststelle von Lewes. Nicht gerade luxuriös, befürchte ich, nur einfache Zimmer mit Dusche und Fernseher. Aber ich wäre beruhigter, wenn Sie dort blieben, bis wir sicher sein können, dass Sie außer Gefahr sind. Einverstanden?«
»Meinetwegen«, antwortete Naomi. »Mir ist alles recht.«
Pelham lehnte sich gegen seinen Schreibtisch, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. »Dr. und Mrs. Klaesson, ich möchte Sie etwas fragen, und Sie müssen mir offen und ehrlich antworten, so schwer es auch für Sie sein mag. Sie haben mir doch die Wahrheit gesagt, oder?«
»Was wollen Sie denn damit andeuten?«, fragte Naomi mit kaum verhülltem Zorn.
»Sie haben keinen Anruf von den Kidnappern bekommen, über den Sie uns nicht informiert haben? Keine Lösegeldforderung? Nicht das geringste Zeichen?«
»Nein, nichts!«, entgegnete John.
»Warum glauben Sie, dass wir Ihnen so etwas verschweigen würden?«, fragte Naomi.
»Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber meiner Erfahrung nach reagieren Leute, die unter einem solchen Druck stehen wie Sie, manchmal so. Weil sie – natürlich und verständlicherweise – alles tun würden, um ihre Kinder wiederzusehen. Oft verlangen die Kidnapper von den Eltern, der Polizei nichts zu verraten, und die Eltern gehorchen. Bitte versuchen Sie, mich zu verstehen, wie ich versuche, mich in Sie hineinzuversetzen.«
Nachdem sie sich kurz gesammelt hatte, erwiderte Naomi: »Detective Inspector Pelham, soweit ich weiß, leben Sie ein ganz normales Leben und fahren nach Feierabend zurück nach Hause. Solange ich aber meine Kinder nicht wiederhabe und sie unversehrt und wohlbehalten in die Arme schließe, habe ich kein Leben. Dasselbe gilt für meinen Mann. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
110
DAS ZIMMER IM ANBAU des Polizeihauptquartiers von Sussex roch frisch renoviert und war kühl und feucht, wie alle selten bewohnten Räume.
Naomi setzte sich auf eine Seite des Doppelbettes und schlug wärmend die Arme um den Oberkörper, während John an dem elektrischen Radiator herumnestelte. Vor den Fenstern hingen geblümte Chintzgardinen und an den
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