Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
Louise streckte den Arm aus und drückte Gemma die Hand. »Sie waren wirklich eine große Hilfe. Ohne Ihren beruhigenden Einfluss hätten wir wohl allesamt durchgedreht. Was ja immer noch passieren kann«, setzte sie mit einem zaghaften Lächeln hinzu. »Sie bringen doch Ihren Freund zum Abendessen mit, ja?«
»Duncan?« Gemma hatte John und Louise am Morgen erzählt, dass Kincaid aus London anreisen würde, um ihr »ein wenig moralische Unterstützung« zu leisten, aber sie hatte ihnen nicht gesagt, dass er ein Kollege von ihr war. »Ja, das werde ich wohl. Ich hatte noch gar nicht darüber nachgedacht. Sind Sie sicher, dass es Ihnen nicht zu viel Mühe macht?«
»John hat etwas ganz Besonderes geplant. Das ist seine Art, mit allem fertig zu werden, und ich fürchte, wir haben den Ärmsten da ziemlich im Stich gelassen. Heather fährt heute Abend nach Hause, und Pascal will in Benvulin übernachten. Er meint, es sollte jemand im Haus sein, bis die Anwälte alles geklärt haben, und Heather fühlte sich dazu einfach nicht in der Lage.«
»Das ist sehr nett von ihm. Aber ich nehme an, dass er es nicht nur aus rein persönlichen Motiven tut?«
»Nun ja, wir haben uns auch so unsere Gedanken gemacht«, erwiderte Louise. »Ich meine, Heather und Pascal verstehen sich ja neuerdings auffallend gut. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich an irgendetwas beteiligen würde, was Benvulin schaden könnte. Sie und Donald standen sich so nahe…«
»Hatten die beiden je eine Liebesbeziehung?«
»Nicht dass ich wüsste. Aber Heather hatte ja schließlich schon lange für Donald gearbeitet, ehe John und ich in diese Gegend kamen.«
Gemma ließ sich neben Louise auf den Rasen sinken und strich gedankenverloren mit der flachen Hand über das Gras. »Andererseits kannten Sie Donald schon von früher, als er noch mit Hazel zusammen war. Sagen Sie, hatten Hazel und Heather damals eigentlich Kontakt?«
Louise runzelte die Stirn und antwortete dann zögernd: »Ich erinnere mich, dass ich Heather in der Zeit ein- oder zweimal gesehen habe, aber sie muss damals wohl gerade auf der Universität gewesen sein.«
»Und Heathers Vater?«, fragte Gemma, die sich an ihr Gespräch mit Heather vom Vortag erinnerte. »Haben Sie ihn mal kennen gelernt?«
»Nein. Ich glaube, er hat für eine der bedeutenden Whisky-Großhandelsfirmen gearbeitet, aber ich hatte immer den Eindruck, dass er damit nicht sonderlich erfolgreich war.«
Jedenfalls nicht in der Weise, die Heather etwas bedeutet hätte, dachte Gemma; denn er war nicht in der Lage – oder willens – gewesen, Carnmore zu retten, und das schien der einzige Maßstab zu sein, nach dem Heather urteilte.
Gemma hatte bei ihrer gestrigen Unterhaltung eine unvermutete Seelenverwandtschaft mit der Frau empfunden, aber konnte sie sich wirklich auf ihren Instinkt verlassen? Und konnte sie sich auf das verlassen, was Heather ihr erzählt hatte – einschließlich dessen, was sie über die Frau gesagt hatte, die Donald am Samstagabend aufgesucht hatte?
Es war alles so verwirrend und miteinander verquickt: Donalds Beziehungen, Hazels Familie, die Brennereien. Gemma wusste, dass es da irgendwo ein Muster gab, sie hatte nur noch nicht den Blickwinkel gefunden, aus dem sie es erkennen konnte. Plötzlich musste sie an Martin Gilmore denken – welche Rolle spielte
er
eigentlich bei der ganzen Sache?
»Louise, ich verstehe ja, wieso Pascal noch bleiben will, aber was ist denn mit Martin? Wann fährt er zurück nach Dundee?«
»Da müssen Sie ihn schon selber fragen.« Louises Miene verfinsterte sich wieder. »Ich kann mir nicht vorstellen, was ihn noch hier halten könnte, nach allem, was passiert ist. Aber da wir für die kommenden Tage allen Gästen absagen mussten, scheint John es nicht sonderlich eilig zu haben, ihn aus seinem Zimmer rauszuschmeißen. Ich bin ja ein bisschen überrascht über seinen plötzlichen Anfall von Bruderliebe.«
Sie würde Martin auf jeden Fall fragen, dachte Gemma, sobald sich die Gelegenheit ergäbe. Andererseits – wenn sie gleich aufbrach, konnte sie eine Stunde vor der Ankunft von Kincaids Zug in Aviemore sein. »Louise, ich muss los. Könnten Sie inzwischen mal nach Hazel sehen und sie fragen, ob sie irgendwas braucht?« Der Gedanke an Tim Cavendish ließ ihr keine Ruhe.
Sie fasste einen Entschluss. Sobald Kincaid da wäre, würden sie sich mit Chief Inspector Ross über die Frage unterhalten, wo Tim an diesem Wochenende gewesen war – auch wenn sie
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