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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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nichts. Er ließ den Mann einfach reden.
    »Rachmika musste warten, bis sich eine Möglichkeit
ergab, zum Ewigen Weg zu kommen. Dann musste sie Ihnen
signalisieren, dass sie unterwegs war und Sie mit Ihrem Schiff
zurückkehren konnten. Alles war eine Frage der Koordination: Um
mit dem Dekan verhandeln zu können, brauchten Sie natürlich
die internen Informationen, die Ihnen das Mädchen zukommen
ließ. Rachmika hat Maschinen im Kopf – die
Ähnlichkeit mit Synthetikerimplantaten ist sehr ausgeprägt
–, aber ich glaube nicht, dass Sie aus dem Orbit darauf
zugreifen konnten. Sie brauchten also ein anderes Zeichen, das nicht
zu übersehen war. Sie jagte ein Sprengstofflager in die Luft,
nicht wahr? Mit der Explosion zog sie die Aufmerksamkeit der
Gendarmerie auf sich. Ich glaube nicht einmal, dass sie ganz bei sich
war, als sie die Tat beging: Vermutlich befolgte sie wie eine
Schlafwandlerin Befehle aus dem Unterbewusstsein. Für den an
sich unerklärlichen Drang, ihre Heimat zu verlassen und zu den
Kathedralen zu reisen, braute sie sich selbst ein Motiv zusammen: die
Suche nach ihrem längst verschollenen Bruder. Dabei musste sie
sich vernünftigerweise darüber klar sein, dass er
längst tot war. Inzwischen hatten Sie Ihr Signal erhalten: Alle
lokalen Nachrichtensender berichteten über den Sabotageakt;
sicherlich hatten Sie die Möglichkeit, diese Sender auch weit
außerhalb Helas abzuhören. Die Meldungen enthielten
vermutlich irgendeine eindeutige Botschaft – vielleicht die
Tageszeit –, die Ihnen sagte, dass es sich um das Werk Ihrer
Agentin handelte.«
    Scorpio sah ein, dass er mit Bluffen nicht weiterkam. »Sie
haben Ihre Hausaufgaben gemacht«, sagte er.
    »Wohl eher das Blutzoll-Offizium, aber ich verstehe,
was Sie meinen.«
    »Wenn Sie ihr auch nur ein Haar krümmen, zertrete ich
Sie wie einen Wurm.«
    Er hörte das Lächeln in der Stimme des
Generalmedikus.
    »Niemand von uns will ihr zu nahe treten. Sie hat nichts zu
befürchten. Aber alles Weitere besprechen Sie am besten mit dem
Dekan. Ich glaube, er hat einen interessanten Vorschlag für
Sie.«
    Wieder diese Stimme, die sich anhörte wie knisterndes Reisig:
»Einen Vorschlag, ja«, sagte der Dekan. »Ich wollte
Ihr Schiff mit Gewalt an mich bringen, weil ich nicht ahnte, dass ich
ein Druckmittel hatte. Nun scheint es, als sei der Anschlag
gescheitert. Das hätte ich nicht für möglich gehalten:
Seyfarth war so fest von seinem Erfolg überzeugt. Doch da ich
jetzt das Mädchen habe, spielt es keine Rolle mehr. Rachmika ist
für Sie offensichtlich wertvoll. Das heißt, Sie werden
tun, was ich verlange, ohne dass einer meiner Agenten auch nur einen
Finger zu rühren braucht.«
    »Lassen Sie Ihren Vorschlag hören«, sagte
Scorpio.
    »Sie wissen ja bereits, dass ich mir Ihr Schiff ausborgen
möchte. Zum Beweis meines guten Willens – und weil ich
wahrhaftig nicht nachtragend bin – bleibe ich bei unserer
bisherigen Vereinbarung. Sie überlassen mir Ihr Schiff, ich tue
damit, was ich für richtig halte, anschließend bekommen
Sie es mit weitgehend intakter Infrastruktur und heilen Insassen
wieder zurück.«
    »Weitgehend intakt«, sagte Scorpio. »Das hört
sich gut an.«
    »Lassen Sie die Spielchen, Schwein. Ich bin älter und
hässlicher als Sie, und das will etwas heißen.«
    Scorpio hörte seine eigene Stimme wie aus weiter Ferne.
»Was wollen Sie?«
    »Werfen Sie einen Blick auf Hela«, sagte Quaiche.
»Ich weiß, dass Sie auf Ihrer gesamten Umlaufbahn Kameras
ausgesetzt haben. Gehen Sie auf folgende Koordinaten und sagen Sie
mir, was Sie sehen.«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis ein Bild der Oberfläche auf
Scorpios Notepad erschien. Als es zu flimmern aufhörte, sah er
im Boden ein sauber ausgeschachtetes rechteckiges Loch, das
Ähnlichkeit mit einem frischen Grab hatte. Die Koordinaten
bezogen sich auf eine Stelle auf Helas Tagseite, dennoch lag der
Boden des Loches im Dunkeln und wurde von mehreren Reihen starker
Scheinwerfer nur ungenügend erhellt. Die Bildschirmskala zeigte
an, dass die Grube fünf Kilometer lang und fast drei Kilometer
breit war. An drei Seiten war sie mit grauem Wellblech ausgeschlagen.
Die zwei Kilometer hohen Wände waren leicht nach außen
geneigt und fielen steil ab. Überall hatte man Simse
ausgefräst und schräge Zufahrtsrampen angelegt. Zwischen
schweren Baumaschinen mit Druckkabinen waren erleuchtete Fenster zu
sehen. Die Oberkante war mit ineinander gesteckten Schalungselementen
verkleidet. In den dunklen

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