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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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beide zusammen und verschwanden im hohen Gras.
    »MAMA!«, schrie Dragomira.
    Nun waren sie ganz nah bei dem Lichtbogen.
    »HALTET EUCH GUT FEST!«, schrie Leomido.
    Und an der Wand, auf die Dragomiras Erinnerungen projiziert wurden, war nur noch ein schwarzer Strudel zu sehen, der in rasender Geschwindigkeit spiralförmig Kurven beschrieb. Als sie schließlich unten ankamen, sah Dragomira sich zitternd um. Eine trostlose, karge Landschaft war zu sehen. Es musste eiskalt sein, denn Leomido klapperte mit den Zähnen.
    »Wo sind wir?«, erklang Dragomiras erschrockene Stimme.
    »Ich weiß nur, dass wir irgendwo im Da-Draußen sind, Kleine Huldvolle«, antwortete Abakum. »Aber wo? Ich habe keine Ahnung.«
    Die Bilder auf der Projektionswand verschwammen, als würden sie von den Tränen ertränkt, die in Dragomiras Augen standen.

Verwirrende Erkenntnisse
    O
ksa betrachtete die Lichtreflexe, die das Sonnenlicht durch die Buntglasfenster auf die Wände des Klassenzimmers warf. Sie hatte die kürzeste, aber auch unglaublichste Nacht ihres Lebens hinter sich. Trotz ihrer Müdigkeit war sie ganz klar im Kopf. Unaufhörlich musste sie an die Welt denken, von der sie gerade erfahren hatte: Da-Drinnen. Sie fühlte sich fast magisch von Edefia angezogen. Da kam ihr die Freiarbeit gerade gelegen! Oksa konnte sich über ihr Erdkundebuch beugen und ihre Gedanken schweifen lassen, ohne der Faulheit oder der Träumerei bezichtigt zu werden. Der Einzige, der sich nichts vormachen ließ, war Gus. Seit sie ihm zugeflüstert hatte, dass sie ihm »etwas wahnsinnig Wichtiges « sagen wollte, warf er ihr ständig neugierige, ungeduldige Blicke zu.
    Nach dem Mittagessen gelang es den beiden, sich für eine Weile zurückzuziehen. Dazu mussten sie die anderen allerdings erst loswerden und sich dann im Putzraum im ersten Stock verkriechen, denn die Skulpturenhöhle war bereits von schnelleren Schülern besetzt worden. Froh, in Gus endlich wieder den vertrauten Freund zu haben, berichtete Oksa ihm inmitten von Besen und Wischlappen ebenso aufgeregt wie detailliert von den Ereignissen der vergangenen Nacht.
    »Was für eine unglaubliche Geschichte!«, rief er, entgeistert und gefesselt zugleich. »ABSOLUT SAGENHAFT!«
    Fast eine Stunde lang redete Oksa unaufhörlich. Dann sah sie Gus fieberhaft an, erschöpft, aber auch erleichtert, dass sie sich ausgesprochen hatte.
    »Wow! Und wie kommst du damit klar?«, fragte er und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Wie ist das für dich … das alles ?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Oksa, doch ihre großen grauen Augen leuchteten dabei vor Erregung. »Jetzt weiß ich, dass meine Kräfte erblich sind, das ist schon mal gut. Es ist beruhigend. Aber es fühlt sich auch seltsam an. Wahrscheinlich hätte mir keiner jemals etwas gesagt, wenn ich Baba das Mal auf meinem Bauch nicht gezeigt hätte. Dann wäre ich mein Leben lang ahnungslos geblieben.«
    Überrascht sah Gus, dass Oksas Züge sich plötzlich verhärteten. Mit zusammengebissenen Zähnen fuhr sie fort: »Stell dir das mal vor, sie haben mir das alles jahrelang verschwiegen! Sie hätten es mir doch auch vorher sagen können … Und meine Mutter weiß immer noch nichts davon, kannst du dir das vorstellen?«
    »Vielleicht ist das auch besser für sie«, meinte Gus.
    »Darum geht es doch gar nicht!«, rief Oksa ärgerlich. »Es ist eine Frage des Vertrauens. Es ist doch wichtig zu wissen, woher man kommt und wieso man so ist, wie man ist, oder?«
    Gus schlug die Augen nieder, da Oksas Worte ihn ganz persönlich trafen. Als ihr auffiel, wie unbedacht ihre Bemerkung gewesen war, biss sie sich auf die Lippen. Sie hatte ihn gerade völlig unsensibel daran erinnert, dass er adoptiert war.
    »Entschuldigung, Gus, ich habe es nicht so gemeint. Ich bin wirklich bescheuert«, sagte sie mit zitternder Stimme.
    »Ach, schon in Ordnung«, entgegnete Gus tapfer. »Ich kann dich ja verstehen. Als meine Eltern mir von der Adoption erzählt haben, war ich sieben Jahre alt, und ich war froh, aber auch wütend. Froh, weil ich nun endlich wusste, warum ich anders aussah als sie. Als ich erfuhr, was es mit meinen leiblichen Eltern auf sich hatte und wie es zur Adoption gekommen war, fiel eine große Last von mir ab. Der Unterschied zwischen uns war kein Rätsel mehr, und ich war fast stolz darauf, auch wenn es mir heute noch schwerfällt, darüber zu sprechen. Wenn es mir nicht gut geht, denke ich immer daran und sage mir, dass es eine schöne Geschichte ist und dass

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