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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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fragte der Junge. »Du hast diesen Blick, den du immer hast, wenn du und Rally mich aufzieht. Wie dieses eine Mal, wo ihr mir erzählt habt, dass ihr einen Hai im Randolph’s Pond gefangen habt, aber als ich sagte, Haie können nicht in Süßwasser leben, habt ihr zwei gemeint, ihr habt nur Spaß gemacht.«
    »Ich schwöre dir, ich meine es ernst, Eddie. Du bist ein zu kluger Junge, als dass man dich aufziehen könnte. Außerdem würde ich so etwas bei jemandem wie dem General nie tun. Der General kann ein sehr gefährlicher Bursche sein, wenn er will. Er kann dich in deinen Träumen Dinge tun lassen, die du nicht tun willst – oder zumindest kann er dir eine Höllenangst machen. Er würde diesen Mist allerdings nie mit mir versuchen. Ja, er hat Angst vor mir, weil ich größer und stärker bin als er – er wagt es nicht, in meine Träume zu kommen, weil er weiß, dass ich ihm den Arsch versohle. Nur ich kann den General in Schach halten, Eddie, verstehst du?«
    »Die Zauberworte«, sagte Edmund plötzlich. » C’est mieux d’oublier  – du hast gesagt, du kannst in meine Träume kommen und mir helfen, richtig, Großvater? C’est mieux … «
    »Psst, Eddie. Denk dran, du sollst die Zauberworte nicht laut sprechen.«
    »Aber du hast gesagt, der General ist zu stark für mich. Hilfst du mir mit den Zauberworten? Kommst du in meine Träume und versohlst ihm den Hintern, wie du es in deinen tust?«
    »Du hast wirklich Angst vor ihm, was?«
    Edmund schluckte wieder.
    »Also gut«, sagte sein Großvater. »Ich sag dir was, Eddie. Wenn dich der General das nächste Mal belästigt, komme ich, wie ich gesagt habe, und spreche die Zauberworte, und das verscheucht ihn dann. Okay, Eddie?«
    »Danke, Grandpa!«, sagte der Junge und warf sich in die Arme des Alten.
    Es war etwa zwei Jahre später, als Edmund von der Medizin erfuhr und den Zusammenhang zwischen ihr und den Besuchen des Generals herzustellen begann.
    Claude Lambert bewahrte die Medizin irgendwo im Keller versteckt auf. Selbst als Kind fand Edmund das schon merkwürdig, denn sie war genauso beschriftet wie die Gläser und Flaschen im Werkraum. M-E-D-I-Z-I-N stand da in großen Blockbuchstaben, die genauso aussahen wie die Buchstaben, mit denen er seinen Namen in den Sand hinter der Scheune geschrieben hatte.
    Edmund konnte sich nicht erinnern, ob ihm sein Großvater beigebracht hatte, das E-D-D-I-E zu schreiben, oder ob er es einfach abgeschaut hatte, wenn er mit ihm in der Werkstatt war. Woran er sich jedoch erinnerte, war das erste Mal, als er den alten Mann die Medizin aus dem Keller holen sah. Es war derselbe Nachmittag, an dem er von der Schule nach Hause geschickt worden war, weil er gerauft hatte – zweite Klasse, Edmund hatte den Kürzeren gezogen –, und sein Kopf schmerzte immer noch, wo ihn sein Klassenkamerad mit dem Griff eines Sprungseils geschlagen hatte.
    »Was ist das?«, fragte der Junge.
    »Spezialmedizin«, sagte sein Großvater. »Du erinnerst dich nicht, dass du sie schon mal gesehen hast?«
    »Nein.«
    »Ich habe sie dir ein paar Mal gegeben, als du klein warst und deine Mutter noch gelebt hat. Ich habe sie dir hin und wieder ins Essen getan, ohne dass du davon wusstest. Wenn du verletzt warst oder krank, oder wenn du vor etwas Angst hattest; damit du dich besser fühlst. Wie das eine Mal, wo du den Finger in die Schleifmaschine gehalten hast. Ich habe sie dir damals heimlich gegeben, aber am Morgen ist es dir besser gegangen. Weißt du noch?«
    »Ich glaube schon.« Er hatte geschlafen wie ein Stein in dieser Nacht, wenn er sich recht erinnerte. Und sein Finger fühlte sich am Morgen sehr viel besser an – aber hatte ihn der General in dieser Nacht nicht auch besucht?
    »Aber jetzt«, sagte sein Großvater, »bist du groß genug, dass du deine Medizin einfach nehmen kannst, ich muss sie dir nicht mehr heimlich geben. Deine Mutter und Onkel James haben die Medizin als Kinder ebenfalls bekommen – James mehr davon. Deine Mutter hat sich meist geweigert. Sie mochte den Schmerz wohl lieber.«
    »Dann bist du nicht böse auf mich, weil ich mich geschlagen habe, Großvater?«
    »Ach was«, sagte Claude Lambert und holte einen Löffel aus der Küchenschublade. »Ich bin nicht böse auf dich, ich bin stolz auf dich. Der andere Junge hat dich bestimmt geärgert, oder?«
    »Ja.«
    »Na, dann hat er es wahrscheinlich verdient.« Der alte Mann goss die Medizin auf den Löffel. »Kämpfen ist gut für dich, Eddie. Du musst einstecken

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