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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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leidzutun. Sie wusste, seine betagte Mutter kam immer zu den Samstagsvorstellungen. Cindy fand das unglaublich süß und stellte sich oft vor, wie sie selbst in vielen Jahren am Broadway spielen würde und ihre betagte Mutter ihr aus der ersten Reihe zulächelte. Davon abgesehen hatte Kiernan am Freitag alle ermahnt, es auf der Ensembleparty nicht zu wild zu treiben und am nächsten Abend in brauchbarer Verfassung zu sein. Sie hatten ihn wirklich enttäuscht, und Cindy enttäuschte die Leute nicht gern.
    Sie konnte nicht abstreiten, dass sie selbst ebenso viel Schuld trug wie alle anderen. Sie war müde und nicht bei der Sache gewesen während der Vorstellung. Sie hatte Edmund zweimal an diesem Tag eine E-Mail geschickt und war erst enttäuscht, dann wütend und schließlich besorgt gewesen, als er nicht geantwortet hatte. Sie konnte seine Nummer im Verzeichnis der Universität nicht finden und hatte keine andere Möglichkeit, mit ihm in Kontakt zu treten als über das Internet. Sie wusste natürlich, wo er wohnte, aber sein Haus lag draußen in der Pampa – zu weit, als dass sie ihn besuchen und rechtzeitig zur Vorstellung wieder zurück sein konnte. Ach ja, es ließ sich nicht leugnen: Ihre bizarre Verabredung mit Edmund Lambert hatte sie wirklich aus der Fassung gebracht, von all dem Getratsche im Fachbereich wegen der Schlägerei auf der Party ganz zu schweigen.
    Es wirkte sich allerdings nur positiv für Cindy aus, die von ihren Mitspielerinnen im Ensemble wie eine Göttin angesehen wurde – selbst von Amy Pratt, die sie rundheraus fragte, ob sie mit Edmund geschlafen hatte. Cindy verneinte es, und Amy schien aufrichtig erleichtert zu sein. Na, sieh mal an. Zwar kursierten entsprechende Gerüchte, aber Amy versicherte ihr, sie würde alles klarstellen. Außerdem, sagte sie, wurde hauptsächlich darüber getratscht, wie Bradley Cox und seine Jungs den Hintern versohlt bekommen hatten. Und Cindy brauchte keine Amy Pratt, um zu wissen, dass besagtes Gerede Mr. Macbeth wirklich schwer zu schaffen machte.
    Obendrein, dachte Cindy, konnte sich der gute Bradley auf einen gehörigen Anschiss von George Kiernan gefasst machen. Geschenkt, dass er offensichtlich verkatert gewesen war, geschenkt, dass seine Nase erkennbar geschwollen war, was sich nachteilig auf seine Aussprache auswirkte. Aber Bradley Cox hatte außerdem am Samstagabend tatsächlich einen Auftritt verpennt.
    Cindy war diejenige gewesen, die auf offener Bühne auf ihn gewartet hatte – früh im ersten Akt, als Macbeth von seiner ersten Begegnung mit den Hexen nach Hause zurückkehrt. Wie Cindy in der Pause von Amy Pratt erfuhr, hatte sich Cox hinter der Bühne mit einem der Ensemblemitglieder angelegt – es ging irgendwie darum, dass Lambert froh sein konnte, dass Cox so viel getrunken hatte, sonst hätte er dem kleinen Soldaten den Hintern versohlt. Als er dann jedoch endlich merkte, dass er eigentlich auf der Bühne sein sollte, stolperte er bei seinem Auftritt und wäre fast hingefallen. An dieser Stelle hatte das Publikum über ihn gelacht.
    Daran erinnerte sich Cindy noch sehr deutlich. Der Rest war irgendwie verschwommen.
    »Dein Brief hat über das armsel’ge Heut mich weit verzückt«, sagte sie und half ihm, sicheren Halt zu finden, »und ich empfinde nun das Künftige im Jetzt.«
    Cox starrte sie blöde an – die Lippen zu einem O erstarrt, die Zunge nach seinem Text tastend, während das Publikum in der langen Pause, die folgte, tuschelte und kicherte.
    »Du siehst seltsam aus, mein teures Leben «, improvisierte Cindy in der Hoffnung, dass er das Stichwort auffing. Nichts. Cindy geriet in Panik und sagte: »Du willst mir sagen, dass der König kommt?«
    »Mein teures Leben!«, platzte Cox heraus, »Duncan kommt heut noch.«
    Weiteres Gelächter, aber schließlich brachten sie die Szene fehlerfrei zu Ende. Der Rest der Aufführung litt jedoch darunter. Der Rhythmus war verloren gegangen, hier und da eine verpatzte Textzeile, nichts Gravierendes eigentlich, aber für George Kiernan dürfte die Aufführung selbst einer Generalprobe unwürdig gewesen sein.
    Was sie persönlich anging, so hoffte Cindy, dass ihre Geistesgegenwart Kiernan bei der Besprechung am folgenden Tag etwas gnädig stimmen würde. Gleichzeitig wusste sie, dass ihre Szene »Fort, verdammter Fleck« schlecht gelaufen war – und dafür konnte sie nun wirklich nicht Bradley Cox die Schuld geben. Nein, dachte Cindy, sie war selbst dran schuld, dass sie so lange weg

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