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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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schießen. Die untergehende Sonne hatte den Horizont, der hinter einer dunklen Baumreihe und etwas weiter entfernten Gebäuden kaum zu erkennen war, in ein loderndes Orange getaucht, das von Grau durchsetzt war.
    Der Night Prowler stand am Abhang eines verlassenen Steinbruchs in der Nähe von Newark, New Jersey, wo viele Amateurschützen und Rattenjäger sich im Zielschießen übten. Er war der Einzige, der in dem orangegefärbten, schwächer werdenden Licht noch übrig war, aber trotzdem zielte er sorgfältig auf die zerbeulten Blechdosen und die Bier- und Weinflaschen, die von dem Schutthaufen am Grund des Steinbruchs aufragten.
    Er blickte konzentriert über die Kimme seiner Pistole hinweg, drückte sachte auf den Abzugshahn und sah eine kleine Staubwolke aufsteigen, als die Kugel ungefähr einen Meter neben einer Kaffeedose einschlug.
    Nicht gut genug!
    Er musste besser werden! Musste lernen, aus größeren Entfernungen zu schießen. Und er konnte froh sein, dass er überhaupt eine Pistole hatte; er konnte nicht das Risiko eingehen, ein Gewehr zu kaufen oder zu stehlen, es war einfach zu schwierig, es zu verstecken. Und es zu benutzen wäre genauso problematisch. Langwaffen waren viel zu auffällig. New York war eben nicht Wyoming.
    Es hatte den Night Prowler überrascht, wie schnell Quinn zurückgeschlagen hatte. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Er feuerte noch einen Schuss ab. Schon besser. Kaum hatte Kay Kemper im Fernsehen die Gerüchte über weitere Fälle von Kindesmissbrauchs durch Quinn erwähnt, hatte Victory angerufen und dem Night Prowler erzählt, dass er von einer Polizistin erfahren hatte – zweifelsohne Detective Pearl –, die Nachforschungen über Schlüsselfräsen anstellte. Das Eisenwarengeschäft, wo sie ihre Befragung durchgeführt hatte, lag nicht nur in Victorys Nachbarschaft, sondern auch in der des Night Prowlers, und war nur wenige Blocks von seiner Wohnung entfernt.
    Der schmutzig-graue Arm des Gesetzes in meinem Territorium! Nicht hinnehmbar!
    Die Polizei konzentrierte sich jetzt also auf diejenigen, die im Besitz eines Schlüssels für die Mordwohnungen gewesen sein könnten. Kein Problem bisher. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie herausfanden, dass er eine tragbare Maschine besaß, mit der man Schlösser einstellen und Schlüssel fräsen konnte. Und er hatte in jeder der Mordwohnungen gearbeitet.
    Nur eine Frage der Zeit. Absolut nicht hinnehmbar!
    Wieder ein Schuss.
    Wieder daneben.
    Wenigsten war das Telefonat mit Kay Kemper so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Sie war interessiert gewesen und hatte versucht, ihm noch mehr Informationen über sich selbst zu entlocken. Aber er hatte sie damit abgespeist, dass er ein ehemaliger Cop sei und um sein Leben fürchten müsse, wenn herauskäme, dass er Interna des NYPD ausplaudere. Er brauche seine Pension und habe eine kranke Frau zu Hause. Kay Kemper hatte es ihm abgekauft, wahres Blau , wahrscheinlich, weil sie ihm glauben wollte, weil sie seine Story wollte.
    Und wie es der Night Prowler erwartet hatte, nutzten Quinns Feinde im NYPD die Gelegenheit, noch mehr gegen ihn zu hetzen. Ja, sie hatten die Gerüchte gehört, bestätigten sie anonym. Kein Feuer, aber ein Himmel voller Rauch. Keine Beweise, aber es hatte ja auch im Fall Anna Caruso keine wasserdichten Beweise gegeben, und trotzdem wusste jeder im NYPD , wer die Tat begangen hatte. Jeder in der Stadt.
    Der Night Prowler lächelte, zielte und schoss.
    Wieder daneben.
    Sein Lächeln gefror.
    Ist es vielleicht einfach nicht möglich, Quinn totzukriegen? Ist das die Botschaft hier? Hat Quinn das Schicksal auf seiner Seite?
    Da! Da war was!
    Der Night Prowler hatte ungefähr zwanzig Meter von ihm entfernt, bei einem niedrigen Haufen aus Steinbrocken und verschiedenen Abfällen, die jemand dort abgeladen hatte, eine Bewegung wahrgenommen. Der Abfall musste schon eine Weile dort liegen. Die Etiketten auf den Dosen und Flaschen waren ausgebleicht, und selbst in dem Dämmerlicht konnte man die Fliegen erkennen, die am Fuß des Haufens herumschwärmten.
    Aber es waren nicht nur die Fliegen, die sich bewegt hatten. Da war sich der Night Prowler sicher.
    Er schlich näher heran, die Pistole mit beiden Händen umklammert, wie die Cops in den Fernsehserien.
    Da bewegte sich wieder etwas!
    Eine Ratte?
    Nein, ein gewöhnliches Eichhörnchen.
    Der Night Prowler zielte, feuerte, und das Eichhörnchen flog hoch in die Luft, als ob es einen Stromschlag abbekommen hätte, bevor es tot

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