orwell,_george_-_tage_in_burma
heruntergefallen!« sagte Mr. Macgregor.
»Hier gibt es gar keine Kokosnußbäume«, sagte Ellis. Im nächsten Augenblick geschahen mehrere Dinge
gleichzeitig. Es gab einen zweiten, viel lauteren Bums, eine der Petroleumlampen fiel von ihrem Haken und zerschellte am Fußboden, knapp an Mr. Lackersteen vorbei, der mit einem Kreischen beiseite sprang, Mrs. Lackersteen begann zu schreien und der Butler kam barhäuptig ins Zimmer gestürzt, sein Gesicht hatte die Farbe von schlechtem Kaffee.
»Sir! Sir! Schlechte Menschen kommen! Werden uns alle ermorden, Sir!«
»Was? Schlechte Menschen? Was meinst du?« »Sir, alle Dorfbewohner sind draußen! Großen Stock und Dah
in den Händen, und alle tanzen herum! Wollen Masters Hals durchschneiden, Sir!«
Mrs. Lackersteen warf sich rückwärts in ihren Sessel. Sie stimmte ein solc hes Geschrei an, daß es die Stimme des Butlers übertönte.
»Ach, seien Sie still!« sagte Ellis scharf, sich zu ihr wendend. »Hört alle zu! Hört euch das an!«
Draußen war ein tiefes, gefährliches Gemurmel zu hören, wie das Brummen eines wütenden Riesen. Mr. Macgregor, der aufgestanden war, wurde steif, und rückte streitsüchtig die Brille auf seiner Nase zurecht.
»Das scheint so etwas wie ein Tumult zu sein! Butler, heb diese Lampe auf. Miss Lackersteen, kümmern Sie sich um Ihre Tante. Sehen Sie, ob sie verletzt ist. Ihr anderen kommt mit mir!«
Alle begaben sich zu der Vordertür, die jemand, vermutlich der Butler, geschlossen hatte. Ein Hagel von kleinen Steinen prasselte dagegen. Mr. Lackersteen wankte bei dem Geräusch und zog sich hinter die anderen zurück.
»Verdammt noch mal, kann denn nicht jemand die blöde Tür verriegeln!« sagte er.
»Nein, nein!« sagte Mr. Macgregor. »Wir müssen hinausgehen. Es ist lebensgefährlich, ihnen nicht entgegenzutreten!«
Er öffnete die Tür und trat kühn auf die oberste Stufe. Etwa zwanzig Burmanen mit Dabs oder Knüppeln in der Hand standen auf dem Weg. Außerhalb des Zaunes auf der Straße standen in beiden Richtungen bis weit über den Platz enorme Menschenmengen. Es war wie ein Menschenmeer, mindestens zweitausend, eine schwarzweiße Masse im Mondschein, in dem hier und da ein krummer Dab glitzerte. Ellis hatte sich, die Hände in den Taschen, kühl neben Mr. Macgregor gestellt. Mr. Lackersteen war verschwunden.
Mr. Macgregor hob Ruhe gebietend die Hand. »Was soll das bedeuten?« rief er streng.
Rufe wurden laut, und ein paar Lateritbrocken von der Größe eines Kricketballs kamen von der Straße her geflogen, trafen aber zum Glück niemanden. Einer der Männer auf dem Weg wandte sich um, winkte den anderen und rief, sie sollten noch nicht mit Werfen anfangen. Dann trat er vor, um zu den Europäern zu reden. Er war ein kräftiger, munterer Mann von etwa dreißig Jahren mit einem nach unten gebogenen Schnurrbart und einem Unterhemd und trug seinen Longyi bis zu den Knien aufgeschürzt.
»Was soll das bedeuten?« wiederholte Mr. Macgregor. Fröhlich grinsend und nicht sehr unverschämt ergriff der
Mann das Wort.
»Wir haben keinen Streit mit Ihnen, Min gyi. Wir suchen den Holzkaufmann, Ellis.« (Er sprach es Ellit aus.) »Der Junge, den er heute morgen geschlagen hat, ist blind geworden. Ihr müßt Ellis zu uns hier herausschicken, so daß wir ihn bestrafen können. Den anderen von Euch wird nichts geschehen.«
»Merk dir nur das Gesicht von dem Kerl«, sagte Ellis über die Schulter zu Flory. »Wir werden ihm später hierfür sieben Jahre verpassen.«
Mr. Macgregor war vorrübergehend purpurrot angelaufen. Sein Zorn war so groß, daß er ihn fast erstickte. Ein paar Sekunden lang konnte er nicht sprechen, und als er dann die Sprache wiederfand, war es Englisch.
»Was glaubt ihr, wen ihr hier vor euch habt? Seit zwanzig Jahren habe ich keine solche Unverschämtheit gehört. Macht augenblicklich, daß ihr wegkommt, sonst rufe ich die Militärpolizei.«
»Machen Sie lieber schnell, Min gyi. Wir wissen, daß es in Euern Gerichten für uns keine Gerechtigkeit gibt, also müssen wir Ellis selbst bestrafen. Schicken Sie ihn uns her. Sonst werdet ihr es alle bereuen.«
Mr. Macgregor machte eine wütende Bewegung mit der Faust, als schlüge er einen Nagel ein. »Mach, daß du wegkommst, Hundesohn!« s chrie er, mit seinem ersten Schimpfwort nach vielen Jahren.
Auf der Straße erhob sich ein donnerndes Gebrüll und ein so dichter Hagel von Steinen, so daß alle etwas abbekamen, auch die Burmanen auf dem Weg. Ein Stein traf
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