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orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma Kostenlos Bücher Online Lesen
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In den vierziger Jahren oder so wurden in Indien seetüchtige Schiffe gebaut und auch bemannt. Jetzt könnte man hier nicht einmal ein seetüchtiges Fischerboot bauen. Im achtzehnten Jahrhundert haben die Inder Waffe n gegossen, die es auf jeden Fall mit den europäischen aufnehmen konnten. Jetzt, nachdem wir hundertfünfzig Jahre in Indien sind, könnt ihr im ganzen Kontinent nicht mal mehr eine Messing- Patronenhülse herstellen. Die einzigen östlichen Rassen, die sich überhaupt schnell entwickelt haben, sind die unabhängigen. Ich will Japan nicht als Beispiel anführen, aber nehmen Sie den Fall von Siam - «
    Der Doktor winkte aufgeregt ab. Er unterbrach die Debatte immer an diesem Punkt (denn in der Regel hatte sie fast Wort für Wort denselben Verlauf), denn der Fall von Siam störte ihn.
    »Mein Freund, mein Freund, Sie vergessen den orientalischen Charakter. Wie ist es möglich, uns zu entwickeln bei unserer Apathie und unserem Aberglauben? Wenigstens haben Sie bei uns für Recht und Ordnung gesorgt. Die unerschütterliche britische Gerechtigkeit und Pax Britannica.«
    »Pocks Britannica, Doktor, Pocks Britannica ist der richtige Name. Und auf jeden Fall, für wen ist es Pax? Für den Geldverleiher und den Rechtsanwalt. Natürlich halte n wir Frieden in Indien, in unserem eigenen Interesse, aber worauf läuft denn das ganze Getue um Recht und Ordnung letzten Endes hinaus? Mehr Banken und mehr Gefängnisse - weiter heißt es nichts.«
    »Was für eine ungeheuerliche Verdrehung!« rief der Doktor. »Sind Gefängnisse nicht notwendig? Und haben Sie uns nichts weiter wie Gefängnisse gebracht? Denken Sie an Burma zur Zeit von Thibaw, dieser Schmutz, diese Folterungen und Unwissenheit, und dann sehen Sie sich jetzt um. Sehen Sie nur von dieser Veranda hinaus - sehen Sie dieses Krankenhaus und drüben rechts diese Schule und diese Polizeiwache. Da sehen Sie den ganzen Aufschwung des modernen Fortschritts!«
    »Natürlich leugne ich nicht«, sagte Flory, »daß wir dieses Land in gewisser Hinsicht modernisiert haben. Das läßt sich gar nicht vermeiden. Tatsächlich werden wir, noch bevor wir damit fertig sind, die ganze burmanische Nationalkultur zerstört haben. Aber wir zivilisieren die Burmanen nicht, wir übertragen nur unseren Schmutz auf sie. Wohin wird er führen, dieser Aufschwung des modernen Fortschritts, wie Sie es nennen? Nur zu unserer lieben alten Sauerei, nämlich Grammophonen und steifen Hüten. Manchmal glaube ich, in zweihundert Jahren wird das alles - « er deutete mit dem Fuß auf den Horizont - , »wird das alles fort sein - Wälder, Dörfer, Klöster, Pagoden - alles verschwunden. Und statt dessen rosa Villen im Abstand von fünfzig Metern; überall auf diesen Hügeln, soweit man sehen kann, eine Villa neben der anderen, und in allen spielt das Grammophon dieselbe Melodie. Und alle Wälder abrasiert - zu Pulpe zermahlen für die News of the World, oder zu Grammophongehäusen zersägt. Aber die Bäume rächen sich, wie der alte Mann in der Wildente sagt. Sie haben natürlich Ibsen gelesen?«
    »Ach nein, Mr. Flory, leider nicht. Dieses gewaltige Genie, wie Ihr hervorragender Bernard Shaw ihn genannt hat. Das Vergnügen steht mir noch bevor. Aber, mein Freund, was Sie nicht sehen, ist, daß Ihre Zivilisation auch in ihren schlechtesten Auswirkungen für uns eine Verbesserung ist. Grammophone, steife Hüte, die News of the World - alles ist besser als die grauenhafte Faulheit des Orientalen. Ich sehe die Briten, selbst die unbedeutendsten von ihnen, als - als - «, der Doktor suchte nach einem Ausdruck und fand einen, der wahrscheinlich von Stevenson stammte, »als Fackelträger auf dem Wege des Fortschritts.«
    »Ich nicht. Ich sehe sie als eine Art neuzeitliche, hygienische, selbstzufriedene Laus. Die in der Welt herumkriecht und Gefängnisse baut. Sie bauen ein Gefängnis und nennen es Fortschritt«, setzte er etwas bedauernd hinzu - denn der Doktor würde die Anspielung nicht erkennen.
    »Mein Freund, Sie hacken aber wirklich auf dem Thema Gefängnisse herum! Bedenken Sie, daß Ihre Landsleute auch andere Leistungen aufzuweisen haben. Sie bauen Straßen, sie bewässern Wüsten, sie bekämpfen Hungersnöte, sie bauen Schulen, sie errichten Krankenhäuser, sie kämpfen gegen die Pest, Cholera, Lepra, Pocken, Geschlechtskrankheiten - «

»Die sie selber eingeschleppt haben«, warf Flory ein. »Nein, Sir!« entgegnete der Doktor, voller Eifer, diese
    Auszeichnung für seine eigenen Landsleute

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