orwell,_george_-_tage_in_burma
heruntergerutscht war.
»Schade, daß ein so festliches Beisammensein zu Ende geht«, sagte er. »Ich muß nach Hause zum Frühstück. Die Bürden des Empires. Hat jemand denselben Weg wie ich? Mein Fahrer wartet mit dem Wagen.«
»Oh, vielen Dank«, sagte Mrs. Lackersteen; »wenn Sie Tom und mich mitnehmen würden. Welch eine Erleichterung, bei dieser Hitze nicht zu Fuß gehen zu müssen.«
Die anderen standen auf. Westfield reckte die Arme und gähnte durch die Nase. »Werd mich wohl lieber ranhalten. Wenn ich hier noch länger sitze, schlaf ich ein. Daran zu denken, daß man den ganzen Tag in diesem Büro schmoren müßte! Körbe voll Akten. O Gott!«
»Vergeßt heute abend nicht das Tennis«, sagte Ellis. »Maxwell, du Faulpelz, daß du dich nicht wieder drückst. Punkt vier Uhr dreißig bist du mit deinem Racket hier.«
»Après vous, Madame«, sagte Mr. Macgregor galant an der Tür.
»Geh voran, Macduff«, sagte Westfield.
Sie gingen in das gleißende Sonnenlicht hinaus. Die Hitze stieg von der Erde auf wie der glühende Hauch eines Kochherdes. Die Blumen, die den Augen weh taten, flammten in einer Orgie von Sonnenlicht, ohne daß sich ein Blütenblatt rührte. Der grelle Glanz trieb Müdigkeit in die Knochen. Es war etwas Grausiges daran - grausig, an diesen blauen, blendenden Himmel zu denken, der sich wolkenlos und unendlich über ganz Burma und Indien wölbte, über Siam, Kambodscha, China. Das Blech an Mr. Macgregors wartendem Wagen war zu heiß, um es anzufassen. Die böse Zeit des Tages begann, die Zeit, von der die Burmanen sagen, »wenn die Füße stumm werden«. Kaum ein Lebewesen regte sich außer den Menschen, den schwarzen Kolonnen der Ameisen, die, von der Hitze animiert, wie Bänder über den Weg marschierten, und den schwanzlosen Geiern, die sich von den Luftströmungen in die Höhe tragen ließen. III
Flory wandte sich vor dem Clubtor nach links und ging im Schatten der heiligen Bobäume die Basarstraße hinunter. Hundert Meter weiter kam er in einen Wirbel von Musik; ein Kommando Militärpolizei, schlanke Inder in grünlichem Khaki, marschierten zu ihren Baracken zurück, mit einem Gurkhajungen, der Dudelsack spielte, an der Spitze. Flory wollte Dr. Veraswami besuchen. Das Haus des Doktors war ein langer Bungalow aus geöltem Holz, der auf Pfählen stand, mit einem großen, ungepflegten Garten, der an den des Clubs grenzte. Das Haus stand mit der Rückseite zur Straße, denn die Vorderseite ging zum Krankenhaus hinaus, das zwischen dem Haus und dem Fluß stand.
Als Flory das Grundstück betrat, hörte man im Hause erschrockenes Kreischen von Frauenstimmen und eiliges Trippeln. Offenbar hat te er es gerade noch vermieden, die Frau des Doktors zu sehen. Er ging um das Haus herum zur Vorderseite und rief zur Veranda hinaus:
»Doktor! Sind Sie beschäftigt? Darf ich raufkommen?« Der Doktor, eine kleine schwarzweiße Gestalt, kam aus dem
Haus gescho ssen wie ein Schachtelmännchen. Er kam eilig zur Verandabrüstung und rief überschwenglich:
»Ob Sie heraufkommen dürfen! Natürlich, natürlich, kommen Sie augenblicklich herauf! Ah, Mr. Flory, wie ganz reizend, Sie zu sehen! Kommen Sie, kommen Sie herauf. Was wollen Sie trinken? Ich habe Whisky, Bier, Wermuth und andere europäische Getränke. Ah, mein lieber Freund, wie habe ich mich nach einem kultivierten Gespräch gesehnt!«
Der Doktor war ein kleiner, schwarzer, dicklicher Mann mit krausem Haar und runden, vertrauensseligen Augen. Er hatte eine in Stahl gefaßte Brille und trug einen schlecht sitzenden weißen Drellanzug, dessen Hosen sich harmonikaartig über plumpen schwarzen Stiefeln bauschten. Er hatte eine eifrige blubbernde Stimme und zischte das »s«. Währ end Flory die Stufen hinaufstieg, schoß der Doktor ans andere Ende der Veranda, wo er in einer großen blechernen Eistruhe kramte und sehr schnell Flaschen aller Art hervorzog. Die Veranda war breit und dunkel mit einer tief herabreichenden Dachtraufe, von der Körbe mit Farnkraut herabhingen, so daß sie wie eine Höhle hinter einem Wasserfall von Sonnenschein wirkte. Sie war mit langen Stühlen mit Rohrsitzen ausgestattet, die im Gefängnis angefertigt wurden, und am einen Ende stand ein Bücherschrank, der eine ziemlich reizlose kleine Bibliothek enthielt, hauptsächlich Bücher mit Essays von der Art Emerson-Carlyle - Stevenson. Der Doktor, ein eifriger Leser, hielt darauf, daß seine Bücher das hatten, was er eine ›moralische Bedeutung‹ nannte.
»Nun,
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