Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
du verstehst – wir brauchen kein Aufsehen unter den Gästen.« Er klopfte sich auf die Schenkel und erhob sich. »Tja. Das war’s dann auch schon – außer dass wir Nummer 328 momentan nicht belegen können, weil es versiegelt wird.«
Joana ballte die Fäuste. Ein junger Mann war gerade gestorben, aber der Hoteldirektor dachte wohl nur so etwas wie: Warum geht er zum Sterben nicht zur Konkurrenz?
»Wer wird die Familie informieren?«, fragte sie leise, aber Carlos zuckte nur mit den Achseln.
»Das wird das deutsche Konsulat erledigen, denke ich. Aber das ist ja auch egal, was geht uns das an? Hauptsache, die Leiche verschwindet endlich.«
Durch die Hintertür wegschaffen und das war’s dann auch schon wieder, dachte Joana bitter.
Sie warf Carlos einen giftigen Blick zu und eilte aus dem Büro, weil sie fürchtete, ihre Zunge nicht mehr länger im Zaum halten zu können.
5
I n Zimmer Nummer 328, im dritten Stock des Hotel »Costa Tropical Palace«, waren die Anwesenden gerade dabei, ihre Arbeit zu beenden.
In einem Fall wie diesem war die Vorgehensweise nicht gerade eindeutig, da die genaue Todesursache nicht vor Ort festgestellt werden konnte. Über den Notruf 112 hatte Maite Hernandez, eine der Empfangsdamen des Hotels, um 11.28 Uhr die Einsatzzentrale der Guardia Civil informiert, die direkt mit der Wachstation der Guardia Civil in Almuñécar gekoppelt war: Ein Hotelgast liege tot in seinem Zimmer. Das war nicht besonders viel an Information, aber andererseits auch nicht viel weniger, als die mit den Untersuchungen betrauten Personen in einer Stunde selbst herausfinden konnten. Der Gast starb in seinem Bett. Wieso, ließ sich hier nicht feststellen. Als der Notruf einging, machten sich zwei Streifenwagen auf den Weg, um den Sachverhalt zu klären. Vorschriftsmäßig wurde auch ein Arzt hinzugerufen, der um 11.57 Uhr offiziell den Tod bestätigte. Sargento Olivares, der zu der Truppe gehörte, die als Erste das Zimmer betrat, informierte seinen Chef, Teniente Lozano. Der wiederum informierte die Policía Judicial, die dafür zuständigen Einsatzkräfte. Die Policía Judicial kam daraufhin zusammen mit einem Untersuchungsrichter, dem Juez de instrucción und einem forensischen Arzt an den Fundort der Leiche. Bei augenscheinlichen Anzeichen von Tötungsdelikten, wie bei Schussoder Stichwunden, wäre sofort die Mannschaft der Abteilung für homicidio der Guardia Civil, die aus sechs Beamten bestehende Mordkommission, aus der Provinzhauptstadt Granada hinzugeschaltet worden. Deren Leiter, Capitán Morales, hätte die Ermittlungen übernommen und mit seinem Team den Tatort genauestens untersucht. In diesem Fall aber wurde davon abgesehen – weil es sich bei dem Hotelzimmer offensichtlich nicht um einen Tatort handelte.
Sowohl Teniente Lozano, als auch der Juez de Instrucción, Staatsanwalt Señor Puertas, und der forensische Arzt, Dr. Manuel Castillo, waren sich einig, dass kein Tötungsdelikt vorlag.
So wurde das Hotelzimmer nur oberflächlich inspiziert, wobei man kein Indiz dafür fand, dass sich in dem Raum – vom Verstorbenen einmal abgesehen – noch weitere Personen aufgehalten hatten. Wie in jedem Hotel konnten die Türen auch hier nicht vom Hotelflur aus ohne Schlüsselkarte geöffnet werden. Die Putzfrau versicherte, dass die Tür beide Male verschlossen gewesen war, als sie zum Reinigen kam. Die Schlüsselkarte des Gasts lag auf dem Schreibtisch neben dem laufenden Fernseher. Der deutsche Sender n-tv lief immer noch, bis der Apparat Teniente Lozano zu sehr nervte, und er ihn abschaltete. Die Befragung des Nachbarzimmers 327, das mit einem jungen spanischen Paar belegt war, ergab genauso wenig wie bei Zimmer Nummer 329, in dem ein älteres irisches Ehepaar die Nacht verbracht hatte. Keiner hatte etwas gehört oder gesehen. Dasselbe behauptete ein Geschäftsmann aus Sevilla, der in einem Zimmer gegenüber im Flur angeblich die halbe Nacht wach gewesen war und an seinem Laptop gearbeitet hatte.
Dr. Manuel Castillo untersuchte die Leiche. Er war es auch, der die Entscheidung treffen musste, wie es mit der Leiche weiterging. Wäre ein Mann von achtzig Jahren ohne Anzeichen von Gewaltanwendung tot in seinem Bett aufgefunden worden, hätte er nach wenigen Minuten ein Formular ausgefüllt und alles Weitere einem Bestattungsunternehmen überlassen. Aber bei einem Mann, der laut Ausweis erst neunundzwanzig Jahre zählte, war das etwas anderes. Señor Castillo untersuchte den Leichnam auf Anzeichen
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