Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
Argumentation bei Blohfeld nicht landen konnte. »Und . . . und weil ich der Beste für diesen Job bin«, schob er eilig hinterher.
»Das gefällt mir schon besser«, bellte Blohfeld ins Telefon.
»Sie engagieren mich also?«, fragte Paul erleichtert.
»Ja«, bestätigte der Reporter. »Aber nur unter gewissen Bedingungen.«
»Was denn für Bedingungen?« Paul rechnete angesichts von Blohfelds unerwartet schneller Zustimmung mit einem Haken an der Sache.
»Meine Bedingungen lauten wie folgt.« Der Reporter räusperte sich lautstark. »Egal, was Sie herausbekommen, ich will es exklusiv für meine Zeitung vermarkten. Und . . .«
»Und?«
»Und wenn sich herausstellt, dass Sie doch schuldig sind, will ich eine Exklusivstory über Sie in der Todeszelle.«
»Witzbold«, sagte Paul gequält.
12
Paul wachte recht früh auf. Er hatte noch den ganzen langen Tag vor sich und bis auf die Ausstellungseröffnung am späten Nachmittag nichts vor. Viel Zeit zum Nachdenken also – zu viel Zeit zum Nachdenken!
Während er sich die Zähne putzte, überlegte Paul, wie er die freien Stunden nutzen konnte. In eigener Sache würde er so bald nicht weiterkommen. Aber vielleicht könnte er wenigstens etwas gegen den feigen Angreifer vom Vorabend unternehmen.
Als er in den Spiegel blickte, um sich zu kämmen, betrachtete er kritisch seinen Körper. Er hatte wirklich zugenommen, und das an den falschen Stellen. Er trieb zu wenig Sport, warf er sich vor. Dann dachte er an die vielen leeren Weizenbierflaschen, die sich in seiner Küche aneinander reihten, und hatte einen weiteren Schuldigen für seine Hüftringe gefunden.
Er nahm sich vor, weniger Bier zu trinken und auch beim Essen ein paar Abstriche zu machen. Etwa beim Konsum von Süßem, allem voran Schokolade, aber auch Kuchen und sonstigen Backwaren.
Bei diesem Gedanken hielt Paul inne. Nur mit einem umgebundenen Handtuch bekleidet, eilte er durch sein Atelier zum Schreibtisch. Er durchwühlte die ungeordnet verstreuten Briefe, Ausdrucke und Prospekte. Dann fand er, wonach er gesucht hatte: den Schmähbrief mit dem anklagenden »MÖRDER«. Paul sah sich den Fetzen Papier sehr genau an.
Anschließend lief er zu seinem Faxgerät. Er blätterte die eingegangenen Faxe der letzten beiden Tage durch und zog schließlich die handgeschriebenen Wochenangebote seines Bäckers heraus.
»Laugenbrezen, Pizzataschen, Leberkäsweckla, Schinken-Käse-Baguette . . .«, las er leise und schaute mit wissendem Lächeln auf.
»Hab‘ ich dich!«, sagte Paul vor sich hin, als er den Speiseplan neben den ebenfalls handschriftlich verfassten Drohbrief legte. »Dieselbe Schrift. Auffällig geschwungen, nach links geneigt, derselbe alte Füllhalter mit Hang zum Schmieren.«
Mit einer gewissen Genugtuung sah sich Paul die beiden Blätter noch eine Weile an. Er dachte dabei an den Bäcker, Ende fünfzig, füllig und blass. Er stand unter der Fuchtel seiner Frau, die in dem kleinen Laden die eigentliche Chefin war. Paul hatte schon immer vermutet, dass ihn der Bäcker nicht besonders gut leiden konnte. Wohl unter anderem deshalb, weil er es Paul neidete, dass so viele hübsche junge Frauen in seinem Atelier ein – und ausgingen.
Aber dass er so weit gehen würde, hätte Paul nie und nimmer vermutet. Noch immer hielt er die beiden Schriftproben dicht vor seine Augen. Er dachte an den gemeinen Angriff mit der stinkenden Brühe, an das widerliche Aroma alter Hefe und fauler Eier. In Paul breitete sich die schiere Wut aus: Er war versucht, jetzt und sofort in die Bäckerei zu stürmen und den Bäcker zur Rede zu stellen. Nein, besser noch: Er würde ihn sich greifen und Taten sprechen lassen!
Paul war geladen – und dennoch durfte er seinem Zorn keinen freien Lauf lassen. Denn, so ermahnte er sich selbst, es hätte absolut keinen Sinn, einen weiteren Konfliktherd zu schüren. Sicher würde er die Vorfälle nicht vergessen. Er würde sich auf seine Art rächen. Doch dieser Kleinkrieg musste verschoben werden. Für Paul gab es heute noch weitaus Wichtigeres, um das er sich zu kümmern hatte. Und dafür musste er unbedingt einen kühlen Kopf bewahren.
13
Er war eindeutig underdressed. Das stellte Paul gleich zu Beginn fest, als er sich in die Schlange der geladenen Gäste eingereiht hatte. Eine Weile dachte er darüber nach, schnell zurück zum Weinmarkt zu laufen und seinen grauen Anzug und das schwarze Polohemd gegen feinere Stücke aus seiner Garderobe zu tauschen.
Andererseits, dachte er,
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