Paula geht
ungemütlich wurde und sie seufzend aufstand und ins Bad trottete.
Ein paar Minuten später ließ sie sich, in den Bademantel ihrer Mutter gehüllt, wohlig grunzend am reich gedeckten Frühstückstisch nieder. Volker saß schon da, in die Tageszeitung vertieft. Hier schien sich ja alles bereits gut eingespielt zu haben. Mit bedauerndem Blick auf den Sportteil ließ er die Zeitung sinken und musterte Paula kurz bei Tageslicht. Paula starrte, so gut sie konnte, zurück und dann mussten beide lachen. Volker reichte ihr formal die Hand über den Tisch. „Darf ich mich nochmal vorstellen, Volker Zurbrück, die späte Liebe Ihrer entzückenden Mutter.“ Gott sei Dank hatte er nicht „Frau Mutter“ gesagt.
„Paula, das verlorene Schaf und einzige Tochter dieser entzückenden Mutter.“
Ihre Mutter war rot geworden bei diesem Schauspiel, winkte jetzt aber unwirsch ab. „Volker, du kommst später. Jetzt muss ich erst mal wissen, was hier los ist.“
Ihre Mutter sah wirklich um Jahre jünger aus, so wie sie frisch frisiert und gestylt da saß und sie fragend anschaute. Ich sollte mich auch mal verlieben, das würde mir bestimmt auch guttun, dachte Paula. Dann rückte sie ihren Stuhl zurecht und gab den beiden eine schonungslose Zusammenfassung der letzten Monate. Die eine oder andere Träne musste sie dabei verdrücken, aber sie merkte, wie mit jedem Mal Erzählen ihre Last etwas leichter wurde und sie fast schon über das ein oder andere lachen konnte.
Als sie geendet hatte, kam ihre Mutter um den Tisch herum und nahm sie in den Arm. „Ach Paula, du alter Sturkopf. Ich hätte nicht gedacht, dass du so wenig Vertrauen in mich hast. Da hast du dich aber ganz schön abgequält die letzte Zeit.“
Es war gut, sich mit über vierzig noch von der Mutter trösten zu lassen, auch wenn Paula sich im tiefsten Innern dafür schämte, dass es notwendig war. Und sie war ihrer Mutter zutiefst dankbar, dass sie ihr keine Vorwürfe machte und den Satz Hab ich dir doch gleich gesagt, das mit dem Haus war eine Schnapsidee hinunterschluckte. Sie setzte sich wieder aufrecht hin und ihre Mutter ging zurück an ihren Platz. Volker sah ein wenig unbehaglich zur Seite. Ganz so intim hätte er es vermutlich nicht gleich gebraucht.
„Tja, Muttern, diese Art von Selbstständigkeit habe ich wohl von dir geerbt. Du hast auch immer versucht, deine Sorgen von mir fernzuhalten. Wie sollte ich es da lernen, Hilfe anzunehmen.“
Das war nicht ganz fair, den Spieß jetzt umzudrehen, aber ein Körnchen Wahrheit war dran.
„Kind, vielleicht hast du recht. Aber als Alleinerziehende muss man schauen, dass man über die Runden kommt. Und ich finde, wir beide haben das ganz gut gemacht.“
Volker nahm sie in den Arm und sagte: „Das finde ich auch – jetzt wo ich euch so zusammen sehe.“
Paula wurde es ganz warm in der Brust. Er schien ganz nett zu sein, dieser Volker. „Jetzt möchte ich aber eure Geschichte in allen Einzelheiten hören.“
Beide schauten sich an. Klimperte ihre Mutter tatsächlich mit den Wimpern? Sie musste sich verguckt haben. „Erzähl du.“
Volker räusperte sich. „Als ich vor drei Monaten einen geschäftlichen Termin in Hamburg wahrnehmen musste, landete ich im Zug gegenüber einer Sitzgruppe, die mit drei Kindern und einer attraktiven Dame besetzt war. Ich sah schon schwarz für mein Arbeitspensum, das ich mir vorgenommen hatte, weil ich bei der Lautstärke vom Nachbartisch sicher nicht würde arbeiten können. An einen Sitzplatzwechsel war in dem überfüllten Zug auch nicht zu denken. Also machte ich es mir gemütlich und hörte dem Getümmel am Nachbartisch zu. Als Erstes fiel mir auf, dass die Kinder nicht zusammenzugehören schienen, sie knüpften erste vorsichtige Kommunikationsbande und die Dame bestärkte sie darin, sich etwas voneinander zu erzählen. Inzwischen war ich richtig neugierig geworden, denn die Dame schien auch nicht die Großmutter der Bande zu sein, wie ich zuerst angenommen hatte.“
Paula schmierte sich ein weiteres Brötchen dick mit Honig. Bei Volkers Erzählstil konnte es etwas länger dauern. Sie nickte ihm aufmunternd zu. Ihre Mutter hing an seinen Lippen. Sicher hatte sie die Geschichte ihrer ersten Begegnung auch noch nicht von ihm direkt gehört.
„Aus den Bruchstücken, die ich mitbekam, erfuhr ich, dass deine Mutter Scheidungskinder auf ihrem Wochenendweg quer durch Deutschland begleitete. Sie spielte mit ihnen, hatte für das kleinste Mädchen, das zwischendrin immer weinte
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