Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Hein beunruhigt. »Und dass
es weg war. Steckte Marcel dahinter? Hat er es etwa gefunden?«
Ich werfe noch etwas Reisig ins Feuer, lache grimmig in mich hinein
und genieße kurz den Informationsvorsprung vor dem Herrn in Belgien. Er mag die
Sekte zwar des Marihuanakonsums verdächtigen, hat aber im Gegensatz zu mir
keine Ahnung, wo das Zeug herkommt. Was mir für die aktuelle Lage aber auch
keine Antworten verschafft. Höchstens die, dass Cora offensichtlich nicht nur
in der Einkehr herumgeschnüffelt hat. Ansonsten hat
Heins Hanfernte nicht das Geringste mit unserem Fall zu tun.
Oder vielleicht doch? Ich bin die zyklische Kreisbewegung meiner
Gedanken satt. Wie auf einer Rennbahn landen sie immer da, wo ich losgefahren
bin. Bringt mich nicht weiter. Das könnte vielleicht ein unverbauter Blick
bewerkstelligen. Hein hat am allerwenigsten mit der ganzen restlichen
Geschichte zu tun.
»Marcel weiß zum Glück überhaupt nichts davon«, sage ich mit
gewisser Genugtuung. »Aber er weiß eine Menge anderer Dinge, die er mir nicht
erzählt. Du bist doch auch dauernd hier, Hein, vielleicht hast du ja etwas
Relevantes beobachtet.«
Und dann erzähle ich ihm die ganze Geschichte inklusive sämtlicher
Ideen. Ich lasse auch nicht Gudruns vernagelte Vorstellung aus, Gaby habe
Hans-Peter ermordet.
Hein wiegt das Haupt.
»Wenn sie an das Geld schon rangekommen ist, hat sie das vielleicht
aus Rache getan.«
»Während sie sich im Hohen Venn Blasen lief?«, gebe ich zu bedenken.
»Habt ihr nachgeprüft, ob sie wirklich da war?«
»Das hat Marcel bestimmt getan. Aber wie üblich lässt er mich an
seinen Erkenntnissen nicht teilhaben.« Ich schüttele den Kopf. »Wenn es
hauptsächlich darum ging, wegen der Stiftungsgelder kein Aufheben in Berlin zu
machen und alles still klammheimlich hier in der Eifel abzuhandeln, dann ergibt
es doch keinen Sinn, den Mann zu ermorden! Das ist mindestens eine Nummer
spektakulärer. Außerdem war es wahrscheinlich kein Mord. Die pure Erschöpfung
hat den Mann hingerafft.«
»Gudrun und die Sauna.«
»Wir sollten darüber nicht lachen.«
Aber wir können gar nicht anders.
Hein konnte auch nichts Erhellendes beitragen. Nur neue Theorien
entwickeln. Natürlich ist er davon überzeugt, dass Gaby ein lesbisches
Verhältnis mit Cora verbinde und es Hans-Peters Frau deswegen in die Eifel
verschlagen habe. Wie so viele Schwule seines Alters fände er es großartig,
wenn die ganze Welt homosexuell wäre und es nur vereinzelte exotische Heten gäbe, die fleißig für die Erhaltung der Art und für
Nachschub sorgten. »Vielleicht fand sie es praktisch, dass sich ihr Mann mit
dir vergnügen und sie ihre eigenen Wege gehen konnte.«
»Er hat sich nicht mit mir vergnügt.«
»Tut dir das leid?«
»Wahrscheinlich habe ich ihn deswegen umgebracht. Weil er Gudrun mir
vorgezogen hat.«
»Wäre eines der klassischen fünf Mordmotive. Eifersucht.«
»Und die anderen vier?«
»Habgier, Rache, Stolz und religiöser Wahn.«
»Gehören die nicht alle zu den sieben Todsünden?«
»Religiöser Wahn nicht«, antwortet der Eifeler Katholik.
Ich überlege, dass bis auf den religiösen Wahn alles auf Gaby
zutreffen könnte. Wobei es dann um eine Art altruistischer Habgier gegangen
wäre, nämlich um die Mittel für den Schutz bedrohter Arten zu retten. Oder um
Hans-Peters Habgier. Die das Geld diesen Arten nicht gegönnt hat.
»Wie schätzt du Cora ein?«, frage ich und setze schnell hinzu:
»Natürlich davon abgesehen, dass sie lesbisch ist.«
Hein lächelt.
»Entschuldigung«, sagt er, »Ich kenne sie doch nur aus euren
Erzählungen. Als real existierenden Menschen gibt es sie für mich gar nicht.«
Das haut mich um. Aber er hat recht. Sie hat sich nie zur gleichen
Zeit wie Hein oder Jupp in meinem Restaurant aufgehalten. Und war da auch nie
Hans-Peter begegnet. Wobei das in der ersten Nacht in meiner Küche durchaus
hätte geschehen können. Da befanden sich die beiden unter demselben Dach – als
Hans-Peter in Heins einstigem Kinderzimmer Gudruns Charme erlegen war.
Ich glaube, ich habe schon erwähnt, wie dünn besiedelt unsere Gegend
ist. Aus irgendeinem Grund war ich seit meiner Begegnung mit Cora davon
ausgegangen, dass sie schon Ewigkeiten hier wohnt und selbstverständlich auch
meine Freunde kennen würde.
Ein Satz von Marcel hallt in meinem Kopf nach; ob meine Begegnung
mit Cora wirklich so ganz zufällig gewesen sei.
Das war sie nicht, fällt mir jetzt ein. Wie einem das Gedächtnis
doch
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