Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
Tätowierung!«
»Was du nicht alles weißt!«
»Jetzt, wo dieser Señor davon anfängt, fällt es mir wieder ein: Wir spielten mal Fußball gegen die Spanier, die bei Philips in Eindhoven arbeiten. El Americano spielte mit, im Umkleideraum sah ich seine Tätowierung, und ich erinnere mich an das mit dem Inferno. Ich weiß nicht mehr alles, was da stand, aber dieses Wort war dabei.«
Sie kamen zum Lokal eines Kulturzentrums für ausländische Arbeiter ganz in der Nähe der Fabrik. Es war weder von Spaniern geführt, noch gab es dort spanisches Essen. Dafür bekamen sie ein dubioses Auberginengericht, das Carvalho als farblose Imitation des türkischen
Imam bayildi
identifizierte. Der Kellner war Türke, traktierte aber die spanischen und italienischen Gäste gleichermaßen mit ein paar Wörtern, die eine Art italienisch ausgesprochenes Spanisch darstellten. Der Mann aus León bestand darauf, eine Runde Bier auszugeben, und wehrte den schüchternen, unentschlossenen Versuch des Galiciers ab, ihm zuvorzukommen. Danach aßen sie, was ihnen vorgesetzt wurde.
»Ich weiß den richtigen Namen meines Freund nicht mehr, El Tatuado oder El Americano, wie Sie ihn nennen. Vielleicht Luis?«
»Nein, bestimmt nicht.«
Der Galicier wußte Bescheid und beteiligte sich nun mit der Selbstsicherheit eines Experten am Gespräch.
»Er hieß Julio Chesma und war aus Puertollano, Provinz Ciudad Real.« Der Mann aus León war nicht ganz sicher, ob der Name stimmte. »Julio, ja, aber Chesma – das könnte ich nicht beschwören.«
»Chesma, Ches-ma. Wenn ich es dir sage! Als meine Hand verletzt war, arbeitete ich drei Monate lang im Büro und hatte die Papiere der halben Belegschaft in den Fingern, stell dir vor. Julio Chesma aus Puertollano. Er war 27 Jahre alt.«
»Merken Sie was? Man denkt, er hätte keine Ahnung von Tuten und Blasen, und plötzlich ist er ein wandelndes Lexikon.«
»Ist es lange her, daß er nicht mehr hier arbeitet?«
»Er blieb nicht lange. Er war einer von der Sorte, die schnell die Lust verlieren und sich was Leichteres suchen. Manche Leute können eben von Natur aus den Rücken nicht krumm machen.«
»Er ist nach Amsterdam gegangen.«
Carvalho betrachtete mittlerweile seinen Landsmann wie der schiffbrüchige Robinson das gestrandete Schiff, das ihm das halbe Leben zurückgab. Dieser Mann hatte das Gedächtnis eines Onanisten. Der Galicier wußte, daß er die Partie mit Worten gewonnen und den Mann aus León übertrumpft hatte. Er wußte eben Bescheid über Dinge, die diesen feinen Pinkel, diesen Beinahe-Katalanen, interessierten. Der Lohn für sein Wissen war der Beifall, den er bekam. Carvalho sparte nicht damit.
»Sie sind ja die reinste Enzyklopädie! Was für ein Gedächtnis!«
»Er wohnte in Amsterdam auf der Rokin, Nummer 16.«
Diesen Erfolg verschenkte er, indem er die Beherrschung verlor und vor lauter Begeisterung anfing zu lachen, voller Begeisterung über sich selbst und darüber, daß er es schaffte, den Gewerkschaftsführer aus León und den feinen Herrn aus Barcelona zum Staunen zu bringen.
»Woher zum Teufel weißt du das alles?«
Der Mann aus León war ebenso verblüfft wie verärgert. Der Galicier erzählte, sie hätten sich beim Fußballspiel angefreundet und sich dann an einem Sonntag in Amsterdam getroffen. Dem Galicier entging nicht, wie sehr es den Mann aus León wurmte, daß er ihn aus der Rolle des Wortführers verdrängt hatte, und er machte ihm ein Zugeständnis: Er lieferte ihm den guten Ruf von Julio Chesma aus und opferte ihn als Sündenbock auf dem Altar der Moral.
»Er war ein ganz windiger Gauner.«
»Das hab’ ich doch gleich gewußt.« Der Mann aus León spielte sofort mit.
»Er hatte eine Menge Flausen im Kopf.« Damit fuhr der Galicier fort, den abwesenden Freund schlechtzumachen, um sich beim anwesenden Freund anzubiedern.
»In Amsterdam tat er sich mit einem Mädchen zusammen und trieb Geld auf, ich weiß nicht, wo, aber er hatte Geld. Er wohnte in einer piekfeinen Pension an der Straße, von der ich sprach, und hatte ein Zimmer für sich alleine und ein Bad mit allem Komfort.«
»Womit verdiente er das Geld?«
»Mit Zuhälterei. Er lebte von den Weibern.« Nun trat der Mann aus León ins Rampenlicht.
»Solche Fälle gibt es oft. Die Frauen hier glauben, wir kommen her, weil wir nach dieser Sache total ausgehungert sind, und wenn sie sich mit einem Spanier oder einem Türken einlassen, dann mit Haut und Haaren. Wer ’s schön findet … Aber für
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