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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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einer unmöglichen Romanze gefolgt war, hatte sie etwas
erworben, was ebenso kostbar wie die Liebe war: Freiheit. »Jetzt
bin ich frei«, war alles, was sie sagte, nachdem sie den Kopf
gesehen hatte. Tao Chi’en erkannte, daß sie sich endlich von
dem ehemaligen Geliebten losgemacht hatte, daß es sie kaltließ,
ob er noch lebte oder beim Goldschürfen in den Bergen der
Sierra Nevada umgekommen war - sie würde jedenfalls nicht
mehr nach ihm suchen, und sollte der Mensch eines Tages
auftauchen, würde sie imstande sein, ihn in seinen wirklichen
Maßen zu sehen. Tao Chi’en hatte sie bei der Hand genommen,
und sie hatten die sinistre Ausstellung verlassen. Draußen hatten
sie die frische Luft tief eingeatmet und waren friedlich
davongegangen, bereit, eine neue Etappe in ihrer beider Leben
zu beginnen.
    In der Nacht, in der Eliza in Tao Chi’ens Zimmer trat,
entdeckte sie einige der zahlreichen Möglichkeiten der Lust und
ließ sich einführen in die Tiefe einer Liebe, die für den Rest
ihres Lebens ihre einzige sein sollte. Langsam und ruhig nahm
Tao Chi’en Schichten von angehäuften Ängsten und unnützen
Erinnerungen von ihr, streichelte und küßte sie unermüdlich, bis
sie die Augen öffnete und sich unter seinen Händen entspannte,
bis er spürte, wie sie sich wand, sich öffnete, aufleuchtete; er
hörte sie stöhnen, ihn anrufen, ihn bitten; er sah sie bezwungen
und feucht, bereit, sich hinzugeben und ihn zu empfangen; bis
keiner von beiden mehr wußte, wo sie waren noch wer sie
waren, noch wo er endete und sie begann. Tao Chi’en führte sie
weit über den Orgasmus hinaus in eine Dimension, wo Liebe
und Tod gleich sind. Sie fühlten, wie der Geist sich ausdehnte,
wie Wünsche und Erinnerungen schwanden, wie sie sich einer
ungeheuren Klarheit überließen. Sie umarmten sich in diesem
geheimnisvollen Raum und erkannten einander, denn vielleicht
waren sie dort schon in früheren Leben vereint gewesen und
würden es in zukünftigen Leben viele Male wieder sein, wie Tao
Chi’en sagte. Sie seien ewige Liebende, sich ein ums andere Mal
zu suchen und zu finden sei ihr Karma, sagte er bewegt; aber
Eliza antwortete lachend, etwas so Feierliches wie das Karma
sei es bestimmt nicht, nur einfache Lust am Vögeln, was sie,
ehrlich gesagt, schon seit einigen Jahren liebend gern mit ihm
getan hätte, und sie hoffe, daß von nun an Tao ihr an Schwung
dabei nicht nachstehen werde, denn dies werde den ersten Platz
in ihrem Leben einnehmen. Sie spielten ausgelassen die ganze
Nacht und weit in den folgenden Tag hinein, bis Hunger und
Durst sie aus dem Haus zwangen, und sie gingen schwankend,
berauscht und glücklich, ohne die Hand des ändern loszulassen,
aus Angst, sie könnten plötzlich erwachen und entdecken, daß
sie sich in eine Halluzination verirrt hatten. Die Leidenschaft,
die sie seit jener Nacht vereinte und die sie mit äußerster
Sorgfalt pflegten, erhielt sie aufrecht und schützte sie in den
unvermeidbaren Augenblicken, wenn Widrigkeiten drohten. Mit
der Zeit besänftigte sich diese Leidenschaft zu Zärtlichkeit und
Gelächter, sie hörten auf, die zweihundertzweiundzwanzig
Arten des Beischlafs zu erforschen, denn drei oder vier reichten
ihnen aus, und letztlich hatten sie es ja nicht mehr nötig, sich
gegenseitig zu überraschen. Je besser sie sich kennenlernten, um
so mehr wuchs ihre Zuneigung. Von dieser ersten Liebesnacht
an schliefen sie eng umschlungen, atmeten den gleichen Atem
und träumten die gleichen Träume. Aber einfach war ihr Leben
dann nicht gewesen, fast dreißig Jahre waren sie miteinander
verbunden in einer Welt, in der kein Platz war für ein Paar
ihresgleichen. Im Verlauf der Zeit waren die zarte weiße Frau
und der hochgewachsene Chinese ein vertrautes Bild in
Chinatown geworden, aber richtig akzeptiert wurden sie noch
immer nicht. Sie lernten es, sich in der Öffentlichkeit nicht zu
berühren, setzten sich im Theater auf getrennte Plätze und
gingen auf der Straße mehrere Schritte voneinander entfernt.
Bestimmte Restaurants und Hotels konnten sie nicht gemeinsam
betreten, und als sie nach England fuhren
- Eliza, um ihre
Adoptivmutter Rose Sommers zu besuchen, und Tao, um in der
Hobbs-Klinik Vorträge über Akupunktur zu halten -, durften sie
weder in der ersten Klasse des Schiffes reisen noch die Kabine
teilen, was Eliza nicht abhielt, sich verstohlen zu ihrem Mann zu
schleichen und bei ihm zu schlafen. Sie hatten heimlich

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