Prinzessin wider Willen
Tür zu.
Jana stand auf dem leeren Korridor. Sie hatte sich in ihrem Leben noch nie so allein gefühlt.
Jana gab gewaltige Summen aus, um das gute Wetter für die Bauarbeiten auszunützen. Ganz Boglandia war von Lärm erfüllt, als Leitungen gelegt und Filterstationen und Abfüllanlagen aus dem Boden gestampft wurden. Die Boglandier sahen stumm zu.
Sie weigerten sich, bei ihrem eigenen Ruin mitzumachen. Es war nötig gewesen, für die Arbeiten Männer aus Prazlov und Rumänien einzustellen.
Jana stand jeden Tag vor der Morgendämmerung auf, um eine der Baustellen zu inspizieren. Ihre offiziellen Auftritte hörten ganz auf, ebenso jede Spur von gesellschaftlichem Leben. Ihre Regierungsgeschäfte blieben liegen. Aber so beschäftigt sie mit ihren Plänen auch war, Nicolas war stets in ihren Gedanken. Seit der katastrophalen Sitzung der Vosnia im August hatten sie kaum noch miteinander gesprochen. Wenn sie zusammenkommen mussten, hielten sie sich knapp und äußerst förmlich.
Endlich zog Jana ihre Laufkleidung an. Sie hatte seit Wochen nicht mehr gejoggt. Die Wachen nahmen sie nicht zur Kenntnis, als sie vorbeiging. Mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt, aber es schmerzte.
Als sie die Straße erreichte und Richtung Coz lief, war sie froh, dass ihre Untertanen schliefen und sich nicht auf den Straßen zeigten.
Sie hielt den Kopf gesenkt und sah und hörte Nicolas erst, als sie fast mit ihm zusammenstieß, sobald sie in eine ansteigende Straße bog, die er soeben herunterlief.
"Eure Hoheit", sagte Nicolas kühl und neigte den Kopf.
Seine Worte trafen ihr Herz wie Dolche. "Du fehlst mir", platzte sie heraus. Am meisten von allem wünschte sie sich, er würde ihr sagen, dass er sie liebte und dass alles gut wurde.
"Du fehlst mir auch." Nicolas hob die Hand und berührte ihre Wange. Bevor Jana erleichtert lächeln konnte, ließ er seine Hand wieder sinken. "Wie ist alles nur dermaßen außer Kontrolle geraten?" fragte er schmerzlich. "Ich wünschte, du hättest die Kronjuwelen nicht verkauft."
"Das Auktionshaus hält sie zurück. Bin ich erfolgreich, löse ich sie wieder aus."
"Dem Fürstentum Schaden zufügen, ist das einzige, das ich nicht... Hättest du irgendetwas anderes getan als das ..."
"Es gab keine andere Möglichkeit", erklärte Jana gequält.
"Nick, ich habe solche Angst. Ich hatte nie wirklich Erfolg. Und es hängt so viel davon ab, dass ich Erfolg habe."
Nicolas blickte zu der Hauptstraße. "Vielleicht hättest du früher daran denken sollen. Impulsives Handeln kann schlimm zurückschlagen." Er neigte knapp den Kopf und lief in die Dunkelheit. Weg von ihr.
Jana sah ihm mit Tränen in den Augen nach. Sie vermisste ihn in ihrem Bett und in ihrem Herzen. Noch mehr vermisste sie ihn als Freund.
Wochen später fanden böse Verleumdungen ihren Weg zu Jana. Bissige Bemerkungen wurden so geflüstert, dass Jana sie hören konnte. Inschriften tauchten an den Wänden auf.
Die Leute von Boglandia glaubten, dass Jana den Adeligen ihr Land wegnehmen und die Bauern zu Sklavenarbeit zwingen wollte. Sie glaubten, Jana habe den Verstand verloren und deshalb die Kronjuwelen versetzt.
Jana drängte Tränen zurück, als sie vor einer neuen Abfüllanlage ihren Wagen verließ. Sie betrat den warmen Innenraum und strich die Falten ihres Satinkleides glatt. Mit ihrer behandschuhten Hand berührte sie das kleine Diadem, das auf ihren dunklen Locken glitzerte. Dieses Diadem war das einzige Stück, das sie nicht verkauft hatte. Ihre Ururgrossmutter hatte es an ihrem Hochzeitstag getragen. Jana hatte sich nicht davon trennen können.
Sie überließ ihren bodenlangen Umhang einem Bediensteten und befahl sich, nicht zu weinen, bevor sie den Raum betrat.
Sobald man auf sie aufmerksam wurde, erstarben die
Gespräche. Nicola
s löste sich aus der Menschenmenge,
verneigte sich vor Jana und bot ihr höflich seinen Arm an.
Stumm ließ Jana sich von ihm zu einem Podium führen. Sie hatte sich Notizen für ihre Rede gemacht, aber ihre Hände zitterten zu sehr, um sie zu benützen.
"Sie fragen sich, warum ich Sie heute Abend hierher eingeladen habe." Das war nicht die geplante Eröffnung, aber sie traf genau den Punkt. "Als ich dieses Projekt startete, hoffte ich, heute Abend würde eine triumphale Feier stattfinden. Ich malte mir aus, wie wir einander zuprosten und von einer herrlichen Zukunft sprechen, von einem neuen Straßennetz und einer Eisenbahn und Telefonen und Krankenhäusern und Schulen. Ich hatte große
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