Rache auf leisen Pfoten
sie etwas, irgendwas, auf die Karten schreiben muss, auf denen nur Namen stehen. Die Band baut am Abend ihre Instrumente auf, wenn wir nach Hause gehen, um uns umzuziehen. Erstaunlich, wie viel Strom die elektrischen Gitarren und das ganze Drum und Dran verbrauchen. Und ich vermute, wir alle werden Boom Booms Hand halten, die eigentlich den Laden schmeißen soll, aber jetzt nur noch Miss Nervenbündel von Crozet High ist.« Sie steckte den Bleistift hinter ihr rechtes Ohr. »Mein zweites Jahresbesten-Foto ist gar nicht übel geworden. Ich finde es besser als Boom Booms.«
»Ich auch«, rief Tucker zu ihr hoch.
»Mal bloß keinen Schnurrbart auf Boom Booms Bild, Mom – oder warte zumindest bis zum Ende des Festes.«
»Mrs Murphy, vielleicht binde ich dir zur Feier des Tages eine blau-goldene Schleife um.«
»Sie wird umwerfend aussehen«, miaute Pewter.
»Sei nicht so gehässig«, erwiderte Murphy.
»Haha«, bemerkte Tucker trocken.
»Kinder, ihr seid heute Abend ja richtige Quasselstrippen.« Harry überflog noch einmal ihr Klemmbrett, dann legte sie es auf den Nachttisch. Sie fasste sich mit der rechten Hand ans Herz. »Ich hab Herzklopfen. Ich weiß nicht, warum ich so nervös bin. Bei unserem fünfzehnten Ehemaligentreffen war ich nicht nervös.« Sie streichelte Murphys seidigen Kopf. »Die Leute wissen, dass ich geschieden bin. Oh, deswegen bin ich eigentlich nicht nervös. Die sollen mir den Buckel runterrutschen, wenn’s ihnen nicht passt. Ich bin kaum die Einzige aus unserer Klasse, bei der es in der Liebe auf und ab ging. Ich weiß nicht. Freilich, wie viele Geschiedene verabreden sich schon mit ihrem Ex? Vermutlich liegt es daran, dass ich alle auf einmal sehen werde. Überlastung.«
»Klar, Mom«, schnurrte Mrs Murphy und schloss die Augen.
Harry griff wieder nach dem Klemmbrett. »Fair sagte, er würde als helfende Hand zur Stelle sein. Alle werden sich freuen, ihn zu sehen. Die Hälfte der Mädchen in meiner Klasse war in ihn verknallt. Ich denke, er möchte dort sein – für alle Fälle.« Sie sprach wieder zu Mrs Murphy, weil Pewter sich zusammengerollt hatte und Harry den Rücken zukehrte. »Sag mal, kannst du es glauben, dass Miranda Skateboard gefahren ist? Oder du, Murphy.«
»Ich kann alles.«
»Ich muss doch sehr bitten.« Tucker wälzte sich auf die Seite. »Wollt ihr zwei nicht endlich schlafen. Morgen wird ein langer, langer Tag.«
Als Antwort darauf legte Harry das Klemmbrett weg und machte das Licht aus.
35
Schreie gellten durch die grünen Flure der Crozet High School, als die Abschlussklassen von 1980 und 1950 sich begrüßten. Für Südstaatendamen ist ein freundlicher Gruß nichts wert, wenn er nicht von Kreischen, Rufen, Kuss-Salven und einer innigen Umarmung begleitet ist. Die Herren halten sich mit der Lautstärke zurück, dafür packen sie Hände mit festem Griff, klopfen sich gegenseitig auf den Rücken, knuffen sich gegenseitig in den Arm, und wenn sie komplett überwältigt sind, flüstern sie: »Alter Saftsack.«
Harry und Tracy standen um halb sechs auf. Sie erledigte ihre Arbeiten in Rekordzeit und war um sieben in der Schule. Tracy holte Miranda ab, sie trafen um viertel nach sieben ein. Alles lief wie am Schnürchen, und Harry setzte sich zu Bonnie Baltier, und sie nahmen die Anmeldungen entgegen.
Dennis Rablan, der drei Fotoapparate um den Hals hängen hatte, fotografierte alle und jeden. Chris stand ihm mit langen, glühenden Blicken zur Seite und reichte ihm Filme.
Tucker setzte sich unter Harrys Beine, während Mrs Murphy frech auf dem Tisch Platz nahm. Pewter kratzte die Kurve und riss zum Erfrischungsraum aus, wo Mirandas Klassentreffen stattfand. Das Essen würde dort besser sein.
Die Abschlussklasse von 1950 hatte die Tische im Kreis aufgestellt, sodass sich alle sehen und miteinander unterhalten konnten. Pewter witschte in den Erfrischungsraum. Der Raum war mit blauen und goldenen Hengsten dekoriert, die wie Karussellpferde gestaltet und an den Stützbalken befestigt waren. Miranda hatte durchblicken lassen, dass Tracy an etwas Ausgefallenem arbeitete, doch niemand konnte ahnen, dass es etwas so Ausgefallenes sein würde. Die Balken waren mit breiten blau-goldenen Folienbändern umwickelt. Der ganze Raum war mit Flaggen geschmückt. Der Erfrischungsraum sah viel schöner aus als die Turnhalle mit den vergrößerten Fotografien und den blau-goldenen Wimpeln, die von riesigen Ballontrauben flatterten.
In Pewters Augen war dieser
Weitere Kostenlose Bücher