Rachelust - Der sechste und letzte Fall für Nora und Tommy
blieb.“
Tommy schrieb sich diese Information auf. „Was ist dann passiert?“
„Ich bin zur Toilette gegangen und habe die Tür geöffnet. Es war alles ruhig und friedlich.“
„Du hast niemanden gesehen?“
„Nein. Weder auf dem Weg dorthin noch auf der Toilette selbst. Dort habe ich dann die erste Kabine geöffnet und … Es war schrecklich. Ich … ich …“ Ihre Stimme begann zu zittern. „Der Mann saß einfach so da. Mit den beiden Schnitten an der Kehle. Das viele Blut. Ich konnte erst gar nicht reagieren. Für zwei oder drei Sekunden stand ich wie angewurzelt vor ihm. Mir wird richtig schlecht, wenn ich daran zurückdenke. Dann habe ich geschrien. Kurz darauf ist Frau Neubauer reingekommen. Sie hat mich von der Kabine weggezogen und aus der Toilette gebracht.“
„Kennst du den Ermordeten?“
„Zum Glück nicht. Das hätte ich nicht überstanden.“
„Und du bist dir absolut sicher, keine weitere Person in der Nähe gesehen zu haben? Auch nicht unterbewusst? Denk bitte genau nach. Das ist sehr wichtig für uns.“
„Da war niemand. Das schwöre ich Ihn…“ Sie stockte. In ihren Augen regte sich etwas. „Moment mal. Ich glaube, dass ich doch jemanden gesehen habe.“
„Wo?“
„Im Treppenhaus. Ich hatte gerade die Toilette erreicht. Von dort konnte ich im Augenwinkel eine Bewegung sehen.“ Sie dachte nach. „Ich habe gesehen, wie die äußere Tür des Treppenhauses zugeschwungen ist. Dahinter ging ein Mann davon.“
„Kannst du diesen Mann beschreiben?“
„Er trug eine dunkle Hose und schwarze Schuhe. Das Hemd war … rot? Nein, nicht rot.“ Sie bemühte ihre Erinnerung, musste jedoch zugeben: „Verdammt, ich weiß es nicht mehr. Es ging so schnell. Ich habe nicht auf diese Person geachtet.“
„Du bist dir aber sicher, dass es ein Mann war?“
„Ja. Er war in etwa so groß wie … Sie.“ Sie sah Dorm an. „Vielleicht ein bisschen größer und schmaler. Aber ich weiß es wirklich nicht mehr genau.“
Thomas schrieb diese vage Beschreibung auf. „Gibt es vielleicht ein besonderes Merkmal, das du uns nennen kannst? Humpelte der Mann? Ging er besonders schnell? Trug er etwas bei sich?“
„Ich weiß es nicht. Das alles ist zu viel für mich. Ich kann nicht mal ausschließen, dass ich mir diese Person nur eingebildet habe.“ Sie schluchzte auf und vergrub das Gesicht in ihren Händen.
„Sehen Sie nicht, dass meine Tochter Ruhe braucht?“, fauchte Lenas Mutter plötzlich. Sie legte ihrer Tochter die Hände auf die Schultern, funkelte Thomas an und sagte: „Sie werden sich damit begnügen müssen, Lena später weiter zu befragen. Jetzt braucht mein Schatz vor allem Entspannung. Alles andere erlaube ich nicht.“
Tommy kratzte sich an seiner Narbe. Daraufhin nickte er und sah Lena an. „Deine Mutter hat recht. Du solltest dich jetzt ausruhen. Falls du mit jemandem über den Anblick sprechen möchtest, dann sag deiner Mutter Bescheid. Sie kann sich dann bei uns melden und wir werden dir helfen.“ Er erhob sich. „Du bist ein tapferes Mädchen. Deine Eltern können stolz auf dich sein.“
„Das bin ich. Ihr Vater kann aber ruhig zur Hölle gehen“, stieß Lenas Mutter aus. Dann wandte sie sich an ihre Tochter: „Komm, Schatz. Wir fahren nachhause. Dort mache ich dir einen Tee und du legst dich ins Bett.“
Lena nickte verzweifelt. Nachdem sie und ihre Mutter den Klassenraum verlassen hatten, wandte Tommy sich an Frau Neubauer. Sie war eine große Frau mit breiten Schultern und blonden Haaren. „Können Sie noch einige Punkte hinzufügen? Ist Ihnen noch etwas aufgefallen?“
„Nicht wirklich. Ich kam gerade aus dem Lehrerzimmer, als ich Magdalenas Schreie hörte. Also lief ich zur Toilette und fand sie vor der ersten Kabine. Zuerst versperrte sie mir den Blick auf das Opfer. Aber sobald ich etwas näher gekommen war, konnte ich alles sehen.“ Sie warf die Arme hoch. „Ich hoffe nur, dass Lena damit gut umgehen kann. Es wäre nicht auszudenken, wenn sie daran zerbrechen sollte.“
„Wie kann das Mädchen Ihnen die Sicht versperrt haben, wenn sie am Boden gekauert hat?“, hakte Dorm spitzfindig nach. „Die Leiche sitzt doch aufrecht auf der Toilette.“
Die Lehrerin räusperte sich. „Nun, ja … das stimmt. Ich schätze, dass ich den Mann dann doch sofort sehen konnte. Ja, so muss es gewesen sein.“
„Sie kamen also zur Tür herein und sahen sowohl Lena als auch das Opfer?“
„J-ja.“
„Danach haben Sie die Rektorin verständigt?“
„Genau.
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