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Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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Die Politiker zerstören gerade die Zukunft von uns allen. Geben Geld aus, das sie nicht haben. Und die Banken nehmen die Privatleute aus. Schwatzen ihnen Kredite auf, die sie nicht brauchen. Überall nur Schulden. Am Ende bezahlen es wir und unsere Kinder und Enkel.« Jorinas Gesichtsausdruck wurde kalt. »Schulden haben schon immer die Macht der Herrschenden gestützt und die Schwächeren noch schwächer gemacht.« Anne hörte der Bankräuberin aufmerksam zu. »Schulden bedeuten Abhängigkeit. Und Abhängigkeit bedeutet Unfreiheit. So einfach ist das.«
    Anne ließ einen Moment verstreichen. Aus dem Nebenzimmer drangen Geräusche herein, die sich nach dem Verrücken von Möbeln anhörten, sowie Stimmen. Vermutlich unterhielten sich Jules, Dieter Gräber, Irene Heigelmoser und die anderen Geiseln miteinander. »Und du meinst, dass Gewalt das richtige Mittel ist, um was zu verändern?«
    »Wenn du mal zurückschaust in der Geschichte, dann hat sich immer nur was geändert, wenn es rabiat zuging: Schon damals bei der Französischen Revolution mussten sie den Adeligen die Köpfe abhauen. Aber auch heute ist das so: In Ägypten ging es nicht ohne Gewalt und in Libyen auch nicht.«
    »Aber bei uns fiel die Mauer schon ohne Gewalt, und die orangene Revolution in der Ukraine war auch friedlich«, unterbrach Anne die Geiselnehmerin.
    Jorina wirkte kurz irritiert. »Das sind aber mal zwei echte Ausnahmen.« Dann fiel ihr etwas ein: »Und was passierte danach in der Ukraine? Die Anführerin der Revolution durfte ihren Bandscheibenvorfall im Knast nicht mal von ’nem vernünftigen Arzt operieren lassen!« Jorina setzte eine effektvolle Pause. Dann sagte sie mit einer Kälte, die Anne schockierte: »Genau aus solchen Gründen sind wir von Anonymous Bankräuber bereit, über Leichen zu gehen.«
    Anne nickte traurig. Dann nahm Jorina ein Klebeband und fixierte ihr damit die Hände so fest, dass es wehtat. Anne hatte Angst.
    Die Ruhe im Inneren der Bankfiliale stand in krassem Gegensatz zum Chaos draußen. Das Alpental war dank des Internets zum Ursprungsort einer Bewegung geworden, die nun auch auf die Großstädte übergriff.
    Inspiriert von der Geiselnahme durch den Franzosen Jules und die Friesin Jorina rotteten sich zunächst in Berlin und Paris Anhänger des Occupy-Gedankens und Anonymous-Aktivisten zusammen. Bald twitterten die sozialen Netzwerke aber auch von Solidaritätsdemonstrationen in London, Madrid, Athen, Rom und sogar Washington. Die deutschen Begriffe »Bankräuberfrühling« und »Anonymous Bankräuber« wurden auch in fremden Sprachen zu fixen Bezeichnungen.
    So titelte etwa die London Times auf Seite eins:
    GERMANY CHANGES SEASONS
    FROM SOMMERMÄRCHEN
    TO BANKRÄUBERFRÜHLING
    Im Artikel, der folgte, wurden die Proteste an dem See inmitten von Bergen als »sexiest revolution ever« bezeichnet und mit einem Bild von der barbusigen Jorina am Fenster und einem eleganten Jules im Anzug garniert.
    Als vor der chinesischen Zentralbank in der Pekinger Chengfang Street eine Autobombe in die Luft ging und sich chinesische Anonymous Bankräuber in einem in den Büstenhalter eines weltbekannten Designers verpackten Schreiben zu der Tat bekannten, klingelte im Berliner Bundeskanzleramt das Telefon: Der chinesische Staatspräsident war in der Leitung. Er hatte noch nie bei Europas mächtigster Politikerin angerufen. Und obwohl die Kanzlerin nicht so gut Englisch sprach wie ihr Außenminister, verstand sie doch sehr gut, was der Machthaber vom anderen Ende der Weltkugel ihr ins Ohr brüllte: Der Albtraum an dem See inmitten von Bergen müsse unverzüglich ein Ende finden, andernfalls werde Schreckliches passieren.
    »What want you say damit?«, fragte die Bundeskanzlerin. Sie bekam von ihrem attraktiven Pressereferenten gerade eine derart intensive Fußmassage verabreicht, dass dem einstigen Nachrichtensprecher der akkurate Seitenscheitel verrutschte. Währenddessen trug der Ehemann der Kanzlerin mit professoralem Blick und wissenschaftlicher Präzision die aktuelle Presseschau vor. Das Kanzleramt war ein Familienbetrieb, der wie geschmiert lief.
    Der Chinese aber schrie: Sollte die bayerische Bergoper nicht umgehend beendet werden, würden alle in der Volksrepublik China tätigen deutschen Unternehmen enteignet und deren Mitarbeiter in politische Umerziehungslager geschickt. Ganz offensichtlich habe Deutschland seine Bürger viel zu lange in einer antiautoritären Traumwelt leben lassen. Die Bundesrepublik bedürfe einer

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