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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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hat Recht«, sprang ihm Torna bei. »Hätten wir angefangen zu verhandeln und uns Erklärungen anzuhören, wärst du jetzt nicht hier. Sieh dich doch mal um.« Wütend machte er eine ausholende Handbewegung.
    Der Lärm im Saal war verstummt. Man hörte nur noch verzweifeltes oder entsetztes Schluchzen. Alle richteten den Blick auf den blutenden Sicherheitsbeamten, um den sich nun einige Festgäste kümmerten, die sich mit Erster Hilfe auskannten. Einer hatte aus dem Spiegelsaal eine Tischdecke zum Verbinden geholt.
    »Jetzt glauben sie, dass wir es ernst meinen«, fuhr Torna fort. »Fluchtversuche wird es keine mehr geben. Und wir haben noch immer den Präsidenten.«
    Vasa wusste, dass Torna Recht hatte. Der blutende Sicherheitsbeamte verlieh ihnen eine Autorität, die stärker war als alle Worte. »Ich gehe jetzt nach oben und gebe vom Balkon aus eine kleine Kostprobe mit der Plamyja ab«, sagte Zlatan.
    »Das ist nicht nötig, jedenfalls noch nicht«, entgegnete Vasa strikt. »Niemand schießt ohne meinen Befehl.«
    Vasa befürchtete, die Finnen könnten die Unstimmigkeit bemerken, auch wenn sie die Sprache nicht verstanden.
    »Wir sind bis jetzt auch gut ohne dich klargekommen«, schnaubte Zlatan zurück.
    »Wir bleiben bei dem, was abgemacht war«, sagte Torna versöhnlich. »Niemand wird unnötig verletzt. Aber in Ausnahmesituationen muss jeder sein eigenes Urteil fällen.«
    Vasa warf einen Blick auf den Präsidenten, der als natürlicher Mittelpunkt der Menge mitten im Raum stand. Er hatte den obersten Hemdknopf geöffnet, und es sah aus, als ginge es ihm nicht gut. Man konnte beim besten Willen nicht sagen, dass er besonderes Charisma ausstrahlte, er wirkte eher wie ein Beamter, der sein Leben lang am Schreibtisch gesessen hat, als wie ein Staatsmann.
    »Der Oberbefehlshaber der finnischen Armee scheint durch den Anblick der Waffen ein bisschen schockiert zu sein«, sagte Danilo höhnisch und Kaugummi kauend. »Scheint kein besonderer Lazar zu sein«, fügte er hinzu und sah Vasa an.
    Dieser erwiderte den Blick und nickte. »Fangen wir an«, sagte er und ging ans andere Ende des Saals. Wieder versuchten die Festgäste ihm auszuweichen, soweit es die Enge zuließ.
    Vasa erklomm das Podest, das für die Musikkapelle vorgesehen war, und sprang von dort auf den Bronzelöwen neben der ebenfalls bronzenen Frauenfigur, die das Gesetz symbolisierte. Alle Blicke richteten sich auf ihn, und er riss sich die Sturmhaube vom Kopf.
    »Good evening, ladies and gentlemen«, rief er. »Niemand kommt zu Schaden, wenn Sie uns gehorchen. Ich bitte nun die Reporter und die Kameramänner mit drahtloser Handkamera zu mir. Aber schnell!« Vasa spürte, dass die Leute ihm anders gegenüberstanden als seinen Kameraden. Die anderen hatten das Gesicht verhüllt, er nicht. Er hatte nichts zu verbergen - und nichts zu verlieren.
32
    Johanna blickte auf den Krankenwagen, der aus dem Innenhof der Residenz auf die Mariankatu herausfuhr und mit Blaulicht in Richtung Nördlicher Esplanade beschleunigte. Das war ein Unheil verkündender Anblick, der allen unmissverständlich deutlich machte, mit welcher Einstellung die Geiselnehmer vorgingen. Mit Einbruch der Nacht war es kühler geworden, und die Abgaswolke des Sanitätsautos schwebte noch lange unter der Straßenbeleuchtung in der Luft.
    Hedu kam mit großen Schritten auf Johanna zu und sagte außer Atem: »Lehikoinen meint, der Verwundete sei ein Sicherheitsbeamter. Offenbar derselbe, der vorher schon in Funkkontakt mit seinen Kollegen stand. Sie haben ihm den Weg zum OGH erklärt.«
    »Kommt er durch?«
    »Keine Ahnung.«
    »Versuch herauszukriegen, ob er reden kann, und wenn ja, sprich so bald wie möglich mit ihm.«
    Johanna dachte über das nach, was Hedu gesagt hatte. »Sie haben ihm den Weg zum OGH erklärt?«
    »Angeblich sind die Gebäude miteinander verbunden. Irgendein alter Geheimgang, der beim Umbau Anfang der 20er Jahre bewusst nicht zugemauert worden ist. Man hielt es für sinnvoll, dem ersten Präsidenten der Republik einen geheimen Fluchtweg offenzuhalten. Sohlman geht der Sache gerade nach.«
    Johanna machte sich auf den Weg zu der mobilen Einsatzzentrale der Polizei, die in einem umgebauten Bus eingerichtet war und mittlerweile in der Aleksanterinkatu stand. Die Zahl der Fahrzeuge und Leute wuchs ständig. In der Mariankatu nahmen die technischen Ermittler den Geländewagen auseinander, den die Attentäter benutzt hatten. An den Rangerover vor dem Haupteingang der Residenz

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