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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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keramische Träne geheftet hatte. Auf die Dauer konnte kein menschliches Produkt den biologischen Angriffen des Ozeans standhalten, aber Keramik war immer noch am widerstandsfähigsten.
    »Du bist gut gelaunt«, stellte Naqi beiläufig fest und bemühte sich, keine Kritik durchklingen zu lassen.
    »Du etwa nicht? Nicht jeder bekommt die Chance, einen Knoten aus nächster Nähe zu studieren. Nütze die Gelegenheit, Schwesterherz. Die Nachricht, die wir gestern Nacht erhalten haben, ändert nichts an unserer Arbeit von heute.«
    Naqi wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. Seit sich das Luftschiff über dem Knoten befand, gerieten mit jedem Atemzug Unmengen von Schwebeorganismen in ihre Lungen. Die Luft roch nach Salmiak und verwesenden Pflanzen. Es kostete sie große Überwindung, sich nicht andauernd die ohnehin schon entzündeten Augen zu reiben. »Hast du etwas Ungewöhnliches bemerkt?«
    »Dafür ist es noch zu früh.«
    »Das heißt also ›nein‹.«
    »Ohne Sonden erreichst du nicht viel, Naqi.« Mina steckte den Tupfer in einen Beutel, drückte die Plastikdichtung zu und warf ihn in einen Eimer, der zwischen ihren Füßen stand. »Ach ja, warte mal. Nachdem du schlafen gegangen warst, habe ich noch einen von diesen Schwärmen gesehen.«
    »Warst nicht du diejenige, die über Müdigkeit klagte?«
    Mina zog einen frischen Tupfer heraus und rieb damit kräftig über einen olivgrünen Streifen an der Seite des Sensors. »Ich habe nur noch meine Post abgerufen. Heute Morgen habe ich es noch einmal versucht, aber die Nachrichtensperre ist immer noch nicht aufgehoben. Ich konnte ein paar Kurzwellensignale von umliegenden Städten auffangen, aber die sendeten nur eine Aufzeichnung vom Schneeflockenrat: ›Bleibt am Gerät und keine Panik.‹«
    »Dann bleibt also nur zu hoffen, dass wir hier nichts Entscheidendes finden«, sagte Naqi. »Wir könnten es nicht einmal weitermelden.«
    »Die Sperre müsste bald aufgehoben werden. Und bis dahin haben wir mit den Messwerten ausreichend zu tun. Hast du dieses Spiralsuchprogramm in der Avionik-Box des Luftschiffs gefunden?«
    »Ich habe nicht danach gesucht«, sagte Naqi. Sie war sicher, dass Mina ein solches Programm bisher mit keinem Wort erwähnt hatte. »Aber ich kann in ein paar Minuten selbst etwas programmieren.«
    »Wir sollten nicht unnötig Zeit verschwenden. Hier.« Lächelnd reichte sie Naqi den Tupfer mit dem grünen Schleimklumpen. »Mach du damit weiter, und ich kümmere mich um das Programm.«
    Naqi zögerte einen Moment, dann nahm sie den Tupfer.
    »Natürlich. Aufgaben sind nach Wichtigkeit zu ordnen und nach Fähigkeit zu vergeben, nicht wahr?«
    »So war das nicht gemeint«, begütigte Mina. »Hör zu, wir wollen nicht streiten. Bis gestern Nacht waren wir die besten Freunde. Ich dachte nur, es ginge schneller …« Sie brach ab und zuckte die Achseln. »Du verstehst schon. Ich weiß, du nimmst mir immer noch übel, dass ich dagegen war, den Sprites zu folgen, aber wir hatten keine Wahl. Wir mussten hierher. Sieh das doch bitte ein! Unter anderen Umständen …«
    »Ich sehe alles ein«, sagte Naqi und merkte selbst, wie kindisch und trotzig es klang, ganz die beleidigte kleine Schwester. Und was das Schlimmste war, sie wusste ja, dass Mina Recht hatte. Bei Tageslicht sah man eben so manches klarer.
    »Wirklich? Im Ernst?«
    Naqi nickte. Das Eingeständnis ihrer Niederlage weckte ein ganz und gar irrationales Glücksgefühl. »Wirklich. Es wäre ein Fehler gewesen.«
    Mina seufzte. »Dabei hätte es mich so gereizt. Ich durfte es mir nur nicht anmerken lassen, sonst hättest du es noch irgendwie geschafft, mich umzustimmen.«
    »Bin ich so überzeugend?«
    »Unterschätze dich nicht selbst, Schwesterherz. Ich würde das nämlich niemals tun.« Mina hielt inne und nahm den Tupfer wieder an sich. »Ich bringe das zu Ende. Kommst du mit dem Suchprogramm zurecht?«
    Naqi lächelte. Sie fühlte sich schon viel besser. Es würde noch eine Weile dauern, bis sich die Spannung vollends gelöst hatte, aber zumindest hatte sie etwas Dampf abgelassen. Mina hatte noch in einem anderen Punkt Recht: sie waren nicht nur Schwestern, sondern auch die besten Freunde.
    »Das schaffe ich schon«, sagte Naqi.
    Naqi trat durch den luftdichten Vorhang in die klimatisierte Gondel. Hier war es angenehm kühl. Sie schloss die Tür, rieb sich noch einmal die Augen und nahm auf dem Navigatorensessel Platz. Das Luftschiff flog seit Umingmaktok mit der Automatiksteuerung, die

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