ROMANA EXKLUSIV Band 0179
Fußball spielen, sodass ich unter den ersten fünfzehn war.“
Im Geist sah Gerry den kleinen Jungen vor sich, den man gegen seinen Willen aus der gewohnten Umgebung gerissen und in eine Welt verpflanzt hatte, die er nicht verstand. „Und was ist aus Ihrer Schwester geworden?“
„Leider hatte sie es schwerer als ich“, erwiderte Robert mit rauer Stimme. „Sie war ein kräftiges Mädchen und benahm sich wie ein Junge. Fußball spielte sie besonders gern, aber das passte unseren Großeltern überhaupt nicht, schon gar nicht, als sie heranwuchs und schließlich einen Meter achtzig groß wurde.“ Robert betrachtete Gerry. „Sie war nicht wie Sie – sie besaß kein angeborenes Stilgefühl. Alles an ihr wirkte tollpatschig, und weil sie nicht anerkannt wurde, verlor sie jedes Selbstbewusstsein. Als Fünfzehnjährige war sie überzeugt, hässlich und nichts wert zu sein.“
Gerry atmete tief ein und verdrängte den Zorn, der sie erfüllte. „Ihre Großeltern sollten sich schämen.“ Sie dachte an ihre Cousine Anet, die ebenfalls ungewöhnlich groß und kräftig gebaut war.
Doch Anet war in eine Familie geboren worden, die sie liebte und ermutigte, ihrer sportlichen Begabung nachzugehen. Nachdem Anet sich bei der Olympiade eine Goldmedaille im Speerwerfen geholt hatte, war sie mit einem wunderbaren Mann glücklich geworden.
„Kinder brauchen viel Liebe“, sagte sie nur.
Ein Gefährt, das man kaum noch als Auto bezeichnen konnte, kam ihnen den schmalen Pfad entgegengeholpert. Irgendwann mochte es ein Fahrgestell gehabt haben, doch jetzt bestand das Vehikel nur noch aus vier Rädern, einer Kühlerhaube und den Sitzen. Als der grauhaarige Fahrer Robert und Gerry entdeckte, hielt er ruckend an.
„Im Hotel liegt eine Nachricht für Sie, Robert!“, übertönte er den Motorlärm. „Sie sagen, es sei dringend.“
Robert nickte. „Steigen Sie ein“, forderte er Gerry auf.
Schade, dass die Klapperkiste ausgerechnet jetzt auftauchen musste! Zu gern hätte Gerry mehr über Robert erfahren. Jetzt verstand sie aber zumindest seine Verachtung für Modezeitschriften. Sicher hatte seine Schwester sich sehnlich gewünscht, wie die dort abgebildeten Models auszusehen.
Was mochte aus ihr geworden sein? Gerry warf Robert einen forschenden Blick zu, doch er schien in Gedanken weit fort zu sein.
Als der Wagen vor dem hohen, strohgedeckten Gebäude hielt, in dem sich das Büro und die Räume des Geschäftsführers befanden, stieg Gerry aus dem Wagen.
„Wir sehen uns beim Mittagessen“, erklärte Robert einsilbig und betrat das Büro.
Während Gerry zu ihrem Strandhaus schlenderte, kam sie zu dem Schluss, dass Robert der Besitzer des Hotels sein musste. Und offenbar organisierte er den Vertrieb der Hüte. Seinen Bemerkungen hatte sie entnommen, dass er auch über das Perlenprojekt verhandelte. Fest stand, dass er sich den Inselbewohnern gegenüber zutiefst verpflichtet fühlte, die ihm und seiner Schwester die frühen unbeschwerten Kindheitsjahre beschert hatten.
„Haben Sie die Nachricht bekommen?“, fragte Gerry beim Mittagessen und blickte von ihrem Salat auf.
„Ja.“
Sie zögerte, ehe sie Robert mitteilte, was sie beim Duschen beschlossen hatte. „Nachdem ich jetzt festgestellt habe, wo das Problem bei den Hüten liegt, sehe ich keinen Grund, noch länger hierzubleiben. Mein Aufenthalt dürfte Sie ziemlich teuer zu stehen kommen.“
Gelassen betrachtete Robert ihre Züge. „Sie können eine Woche bleiben, wie wir abgemacht hatten. Außerdem haben Sie von der Hutfertigung ja noch gar nicht viel gesehen.“
„Also gut.“ Gerry zuckte die Schultern. „Morgen nehme ich sie mir genauer unter die Lupe.“
Robert lächelte ironisch. „Langeweile, Geraldine?“
„Ganz und gar nicht“, erwiderte sie wahrheitsgemäß. Sie fühlte sich so lebendig wie nie zuvor und befand sich in einem ständigen Spannungszustand. In Roberts Nähe schlug ihr Herz viel zu schnell, und sie konnte nur hoffen, dass er nicht merkte, welche Wirkung er auf sie hatte.
Amüsiert fuhr er fort: „Hinterher können Sie sich in die Sonne legen und sich bis zum Ende der Woche die hübschen Beine bräunen lassen.“
„Sonnenbräune ist nicht mehr modern“, widersprach Gerry.
Robert ging darauf nicht ein, und sie hing ihren Gedanken nach.
In zwei Tagen würde sie abreisen, doch sicherheitshalber würde sie Robert das verheimlichen. Er war ein Mann, der es gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen. Und solchen Leuten widersprach
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