Rückkehr nach Killybegs
ausgebreiteten Armen und dem Gesicht zur Wand stehen. Er wurde geschlagen, bekam Elektroschocks, wurde gewürgt, mit Zigaretten versengt und mit feuchten Lappen am Atmen gehindert. Zwischen den Befragungen warfen sie ihn mit verbundenen Augen in einen schalldichten Raum. Dort, so sagen jene, die es erlebt haben, sind selbst die eigenen Schreie gedämpft. Europa hat solche Methoden als »unmenschlich und erniedrigend« bezeichnet. Waldner war das egal. Für ihn war nur wichtig, dass die Republikaner gestanden. Bevor ein weiterer Schuss falle, bevor eine weitere Bombe explodiere, bevor ein anderer Popeye irgendwo in der Stadt ermordet werde. Ob ich das verstünde?
»Stell dir vor, Meehan, ich bin dein Gefangener, und dein bester Freund ist in unserer Hand. Unsere Leute wollen ihn killen. Ich weiß, wann und wo. Was machst du dann mit mir?«
Ich verstand.
Das Viertel war durch Mickeys Verhaftung in Aufruhr. Mickeys Frau kam Sheila besuchen. Sie weinten. Ich machte Tee und verließ das Haus.
»Im Knast ist besser als tot«, murmelte ich meiner Frau beim Heimkommen zu.
Ihr Blick gefiel mir nicht. Sie forschte nach Alkohol. Aber ich hatte nicht getrunken. Nur zwei Bier in einer Bar, die nicht die meine war. Ich wollte mich der Niedergeschlagenheit und Traurigkeit nicht stellen.Die Briten hatten Mickey am 3. August nach einer Strafaktion gegen einen Vergewaltiger verhaftet. Der Kerl war ein Wiederholungstäter, durfte seit Monaten Divis Flats nicht mehr betreten. In der Nacht zuvor hatte er eine Frau auf dem Heimweg belästigt. Er hatte ihr ins Gesicht geschlagen und versucht, sie in ein Gebüsch zu zerren. Er war betrunken und schwankte. Sie konnte sich losreißen und lief ins Büro der Sinn Féin, um Anzeige zu erstatten und ihren Angreifer zu beschreiben.
Die IRA holte ihn nachts aus dem Haus seiner Eltern. Er war zurückgekommen, um sich bei ihnen zu verstecken. Lag angezogen auf seinem Kinderbett und schlief seinen Bierrausch aus. Unsere Jungs trugen Sturmhauben. Die Mutter ging kreischend dazwischen, der Vater nahm einen Stuhl, um seinen Sohn zu verteidigen.
»Finger weg von den Eltern!«, hatte Mickey befohlen.
Zwei von uns schleiften den Taugenichts zur Treppe. Ich hielt mich auf der Straße im Hintergrund. Befehligte die Operation nicht. Weil ich solche Bestrafungsaktionen nicht mochte. Wir waren eine Armee, keine Polizei. Unsere Aufgabe war es, die Briten zu vertreiben, nicht Verbrecher zu verdreschen. Doch die Bevölkerung forderte Sicherheit in unseren Vierteln.
Mickey wartete in der Tür mit zwei anderen. Die Mutter stürzte sich auf ihn und riss ihm die Maske vom Gesicht. Er schob sie weg. Sie fiel hin und zeigte auf ihn.
»Das ist Franck Devlin! Ich kenne dich, Franck Devlin!«, schrie sie.
Überall gingen Lichter an. Der Typ wurde mit dem Wagen zu einem kleinen Platz an der Straße gebracht, wo das Opferwohnte. Er wehrte sich. Mickey schlug ihm mit dem Kolben gegen die Schläfe. Er wurde mit entblößtem Oberkörper an eine Laterne gebunden. Eine Frau kam angelaufen, drückte einem von uns ein Schild mit der Aufschrift »Vergewaltiger« in die Hand und rannte gleich wieder weg. Die IRA hängte dem Kerl das Schild um den Hals. Sein Oberkörper war mit kaltem Teer beschmiert. Er war bewusstlos, sein Kopf hing nach hinten. Schatten bewegten sich in den Fenstern, Gespenster auf den Bürgersteigen, Silhouetten in halb geöffneten Haustüren.
»Unser Land befindet sich im Krieg!«, brüllte Mickey, damit die ganze Straße ihn hörte.
Ein óglach zog am Verschluss seiner Pistole. Ein metallisches Klicken in der Stille. In der ersten Etage eines Hauses hielt sich ein Mann die Ohren zu.
»Wir dulden keinen Angriff auf unsere Gemeinschaft. Und keinerlei Gewalt gegen die Frauen, die dazugehören.«
Der Soldat schoss zwei Mal. Nicht in die Knie, sondern in die Schenkel. Wir hatten beschlossen, dass der Verurteilte wieder gehen können sollte. Er stieß einen lang gezogenen Schrei aus. Sein Kopf fiel erneut zurück.
»IRA! IRA!«, skandierte eine ferne Stimme.
Eine Kämpferin mit Handschuhen sammelte die heißen Patronenhülsen ein, und wir zogen ab.
Die Eltern des Opfers waren in der Gemeinschaft verhasst. Der Briefträger vergaß sie, die Milchflasche wurde eines Morgens an ihrer Tür zerschmettert. Der Vater wurde in den Bars nicht bedient, Bingo-Runden ließen die Mutter allein am Tisch sitzen. Sie waren die schwarzen Schafe der Straße. Siehatten nichts zu verlieren. Also haben sie bei der
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