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Ruf der verlorenen Seelen

Ruf der verlorenen Seelen

Titel: Ruf der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derting Kimberly
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sie herum war unerträglich. Zu der Stille im
Haus gesellte sich das Schweigen der Anruferin. Auf einmal
kamen Violet Zweifel. Jetzt, da sie die Person beschuldigte, die
sie in Verdacht hatte, klang das alles irgendwie absurd. Einen
kurzen Moment lang ahnte sie, was Jay gedacht haben musste.
    Nicht, dass es eine Rolle spielte – er hätte ihr einfach vertrauen
müssen.
    Sie holte tief Luft, sie beschloss sich nicht darum zu scheren,
wie es sich anhörte. »Ich weiß, dass du das bist, Megan.«
Sie sprach jetzt noch leiser, sie konnte sich selbst kaum hören.
    Â»Und Jay weiß es auch.«
    Vom anderen Ende kam ein kaum hörbares Geräusch. Vielleicht
ein Atmen, ein Seufzen, vielleicht der Hauch eines Stöhnens.
Violet war sich nicht sicher. Doch nach diesem Moment,
diesem kleinen Versehen, hörte sie nichts mehr.
    Megan hatte aufgelegt.

20. Kapitel

    Violet schaute in den Spiegel und verstand sofort, weshalb
ihre Mutter sie nicht gedrängt hatte, in die Schule zu gehen.
Sie sah völlig fertig aus. Ihre Haut war bleich und fahl, ihre
Augen rot und geschwollen. Sie putzte sich die Nase, die schon
ganz wund war.
    Sie gab Jay die Schuld an ihrem schaurigen Aussehen.
    Und Megan natürlich.
    Violet ging wieder ins Bett. Sie war müde wie noch nie in
ihrem Leben und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie
würde nicht mal eine Schulstunde durchstehen, geschweige
denn einen ganzen Tag.
    Sie versuchte, nicht an Jay zu denken. Immer wenn sie an
ihn dachte, schien ihr Herz zerbersten zu wollen.
    Sie wollte über Megan nachdenken, die zu solchen Grausamkeiten
fähig war, aber ihre Gedanken schweiften immer wieder
ab. Dass Jay in einem Moment, in dem sie ihn so sehr brauchte, nicht zu ihr hielt, war unerträglich. Sie kniff die Augen zu und
zwang sich, an etwas anderes zu denken.
    Nicht schon wieder. Aber es war zu spät, er hatte sich schon
wieder in ihren Kopf gedrängt und sie konnte die Tränen nicht
zurückhalten.
    Wie konnte sie immer noch Tränen haben? Es war schrecklich,
sich so schwach und elend zu fühlen. Sie müsste wütend
sein oder Angst haben, stattdessen lag sie auf dem Bett und war
unfähig, etwas zu tun. Und das nur wegen Jay.
    Und was bedeutete das alles? Dass ihm Megan wichtiger war
als sie? Oder konnte er einfach nur nicht glauben, dass Megan
zu so etwas fähig war? Wie auch immer, er hatte nicht zu ihr
gehalten.
    Er hatte versucht, sie anzurufen, und als sie nicht rangegangen
war, hatte er ihr eine SMS geschickt mit der Frage, ob er
vorbeikommen und mit ihr reden könne.
    Violet tippte eine Antwort in ihr Handy und zögerte nur
einen kurzen Moment, bevor sie sie abschickte.
    Ich will dich nicht sehen .
    Es fühlte sich so endgültig an. Das tat so weh.
    Sie hielt sich die Hand vor den Mund, zog die Knie an die
Brust und schluchzte erstickt. Den schlimmsten Schmerz spürte
sie an einer Stelle, die sich nicht anfassen ließ. Ihr Herz fühlte
sich an, als wäre es zerbrochen – einsam und elend.
    Violet machte sich Sorgen um ihr Herz. Sie fragte sich, ob
es weiterhin schlagen würde.
    Es fühlte sich an, als hätte es aufgegeben.
    Und sie kam sich vor, als würde sie aufgeben.
    Sie sagte sich, dass sie nicht dermaßen melodramatisch sein
sollte. Aber es fühlte sich gar nicht so an.
    Sie hatte Jay verloren. Und nicht nur, dass sie den Jungen
verloren hatte, den sie wahnsinnig liebte, dem sie sich ganz hingegeben
hatte – sie hatte gleichzeitig den besten Freund verloren,
den sie auf dieser Welt hatte.

    Sie wusste nicht, wie lange sie so dalag, an der Grenze zwischen
Schlafen und Wachen. Es war ein heikler Zustand für Violet,
ihr Unterbewusstsein fügte den Bildern in ihrem Kopf weitere
Bilder hinzu.
    Irgendwann schaltete Violet ihren iPod an, um die Gedanken
zu verscheuchen, doch nichts konnte die Traumfetzen aufhalten,
die kamen, sobald sie eindöste, oder die Qualen, die sie
erlitt, wenn sie aufwachte.
    Sie wälzte sich hin und her, versuchte, an nichts zu denken
und nichts zu empfinden.
    Es war schon fast dunkel, als sie merkte, dass die Matratze
sich senkte. Sie machte die Augen auf. Chelsea schaute auf sie
herab.
    Â»Was machst du denn hier?«, fragte Violet und fuhr hoch.
Ihre Kehle brannte.
    Chelsea zuckte die Achseln. »Ich hab mir Sorgen um dich
gemacht. Alles okay bei dir?«
    Bei ihr war überhaupt nichts okay.
    Violet hätte ihrer Freundin gern erzählt, es gehe ihr gut,

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