Ruf des Blutes 3 - Dämonenring (German Edition)
links und rechts, da war nichts. Er schaute nach unten. Dort lag seine Petunie zwischen braunen Scherben. Auf der anderen Straßenseite bewegte sich eine dunkle Gestalt mit Kapuze Richtung Hauptstraße. Aber die konnte unmöglich auf seinem Balkon gewesen sein. Wie wäre sie so schnell wieder runter gekommen? Warren fröstelte. Er schob es auf den aufkommenden Wind. Am Himmel zogen Wolken vor den Mond. Besser, er ging wieder hinein, vielleicht würde es heute Nacht noch regnen. Da fiel sein Blick auf etwas, das wie der Abdruck eines Fußballens aussah. Er blickte noch einmal hinunter auf die Straße, doch die war jetzt menschenleer.
Energisch schob er den Gedanken beiseite, einen heimlichen Besucher hier oben gehabt zu haben. Der Abdruck sah nur so ähnlich aus wie ein Ballen. Es konnte sonst was sein. Er durfte sich von dem Orden und seinen Denkweisen nicht anstecken lassen, sonst war er bald seinen Job los. Dennoch konnte er nicht anders, als diese Nacht zum ersten Mal seit er beim MI5 arbeitete, tatsächlich seine Waffe unters Kopfkissen zu schieben, als er schlafen ging.
Auf dem Rückweg nach London entschied ich mich, bei Lucien vorbei zu schauen. Die Frage nach dem Risiko, das möglicherweise auch für mich einst bestanden hatte, als ich sterblich mit einem Vampir schlief, ließ sich nicht verdrängen. Ich wollte es jetzt wissen. Wie wahrscheinlich waren solche Fälle? Wie oft geschah es? Wie unfruchtbar waren Vampire wirklich? Wenn einer mir darauf antworten konnte, dann Lucien. Außerdem erschien es mir sicherer, den kommenden Tag bei ihm zu bleiben und in meinem Zimmer zu ruhen. Ich wollte kein zweites Mal das Risiko eingehen, von der Sonne verbrannt zu werden, wie bei meiner überstürzten Abreise letztes Mal. Hätte Kaliste mich nicht gerettet, wäre ich inzwischen nichts weiter als ein Haufen Staubkörnchen, die der Wind in alle Himmelsrichtungen verstreut.
Die Burg ragte beeindruckend wie immer vor mir auf. Er wohnte stilecht, wie es einem Lord gebührte. Doch im Inneren hatte das Gemäuer zwei Gesichter. Mittelalterliches Bauwerk oder hochmodernes Luxusambiente. Ganz nach seiner Lust und Laune – oder seinen Gästen. Hier lebte er mit den Zwillingen Andy und Steven und der scheuen Gillian. Die einzigen Menschen, denen er vertraute.
Gillian brachte mich in sein Atelier im modernen Wohnbereich. Ein Feuer prasselte im Kamin, Lucien stand mit nacktem Oberkörper vor einer Leinwand, sein langes, schwarzes Haar wehte in der sanften Meeresbriese, die durchs geöffnete Fenster herein strömte. Er schwang den Pinsel, das Spiel seiner sehnigen Muskeln löste ein vertrautes Kribbeln in mir aus. Einzelne Farbsprenkel schmückten seine Arme. Das Bild war beinah fertig. Ich warf einen Blick darauf und vergaß für einen Moment, was ich hatte sagen wollen. Die Szenerie auf der Staffelei beunruhigte mich auf eine Weise, dass ich mich nicht mehr konzentrieren konnte. Lodernde Flammen, tödliche Finsternis und wimmernde, schreiende Seelen. Eine Vision vom Höllenfeuer?
„Melissa“, ermahnte mich Lucien sanft und ich sah erschrocken auf. In seinen nachtblauen Augen funkelten die Sterne, es zog mich magisch an, lockte, mich darin zu verlieren, aber seine warme, sanfte Stimme hielt mich davon ab. „Du wolltest mit mir reden.“
Er lächelte nachsichtig darüber, dass er mich hatte erinnern müssen, warum ich hier stand. Ich schüttelte den Kopf, vertrieb die Eindrücke, die das Bild in mir wachrief. Er wollte es auf einer seiner nächsten Ausstellungen zeigen, die er in der National Gallery in London plante. Auf Menschen war die Wirkung sicher noch stärker als auf mich. Das machte seinen Erfolg aus. Menschen spürten seine Bilder.
„Wir können Nachkommen mit Menschen haben“, sagte ich.
„Ja, ich weiß.“
Lucien tauchte den Pinsel wieder in die Farbe und fuhr fort, seinem Gemälde den letzten Schliff zu geben. Ich konnte das Stöhnen dieser Seelen hören, die Hitze des Feuers spüren. So lebendig. Er hatte ein Talent dafür. Ich schluckte noch einmal und riss mich dann vollständig davon los.
„Passiert das oft?“
Er schwieg eine Weile und ich wurde unsicher, ob ich eine Antwort bekam. Er überhaupt eine kannte. Strich für Strich verlieh er dem Bild mehr Leben. Schließlich legte er Pinsel und Farben beiseite, wischte sich die Ölreste mit einem Baumwolltuch von den Fingern und drehte sich zu mir um. Seine Arbeit war vollendet.
„Wundervoll, nicht wahr?“, fragte er mit deutlichem Stolz in
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