Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
deren gläserne Schirme einer wie der andere eingeworfen waren, verkohlte Mülltonnen und zu Schrott gefahrene gestohlene Autos standen. Schließlich erreichten sie den Eingang zu einer Autoverwertung.
»Hier«, sagte der Ältere.
Am Eingang stürzten zwei Pitbulls mit vor Geifer triefenden Lefzen auf sie los. Obwohl die schweren Ketten, mit denen sie an den Überresten einer Autokarosserie angebunden waren, sie zurückrissen, fürchtete Munárriz einen Augenblick lang, dass ihnen ihr Vorhaben gelingen könne. Eine Klingel, die sich beim Öffnen des Eingangstors automatisch einschaltete, meldete die Ankunft der drei Männer im Inneren eines auf Ziegelsteinen aufgebockten Wohnwagens ohne Räder, woraufhin Chicho Corbacho herauskam. Seinen Spitznamen El Manitas, der »das Händchen« bedeutete, verdankte der in der Unterwelt weithin bekannte Ganove seiner Geschicklichkeit als Geldschrankknacker.
»Inspektor Munárriz«, rief er überschwänglich. »Welche Überraschung.«
»Kennst du den Schweinehund etwa?«, fragte der jüngere Zigeuner bestürzt. »Ist ja widerlich.«
»Ja. Ich hab früher mal auf seiner Informantenliste gestanden.«
»Der verdammte Scheißkerl hat uns das Geld und den Stoff weggenommen«, stieß der Jüngere wütend hervor.
»Das kann ich nicht glauben. Haben Sie wirklich meine Vettern beraubt, Inspektor?«
»Ich hab das Geld lediglich vorläufig in Verwahrung genommen.«
»Geben Sie doch El Palanca und El Escarpa die Kohle zurück und lassen sie laufen«, sagte Chicho Corbacho in versöhnlichem Ton. »Es sind keine schlechten Kerle.«
Munárriz nickte, nahm das Geldscheinbündel aus der Tasche, ohne die beiden aus den Augen zu lassen, und warf es dem Jüngeren zu. Dieser hatte gesehen, dass der Beamte seine Waffe wieder eingesteckt hatte, und wagte ihn daher herauszufordern: »Wir sprechen uns noch …«
»Escarpa«, mahnte ihn El Manitas, »ich dulde nicht, dass man meinen Freunden droht. Verstanden?«
»Er verdient deine Freundschaft nicht.«
»Meine Freunde such ich mir selber aus. Jetzt haut ab.«
»Und was ist mit dem Stoff?«, begehrte El Palanca auf. »Wie kommen wir da wieder dran?«
»Was haben Sie damit gemacht?«, fragte El Manitas, an Munárriz gewandt. »Haben Sie ihn in die Toilette geschüttet?«
»Nehmt euch einen Besen«, gab Munárriz zurück. »Ich glaube nicht, dass jemand mit der Nase über den Fußboden gefahren ist, seit ihr da weg seid.«
»Verflucht …«, stieß El Palanca wutschnaubend hervor. »Der Koks ist doch jetzt voll Dreck.«
»Das wird keiner von euren Kunden merken«, beschied Munárriz ihn ungerührt. »Zusammen mit dem Staub vom Fußboden wiegt er noch mehr. Da macht ihr einen zusätzlichen Reibach und könnt die Differenz in die eigene Tasche stecken.«
Die beiden stießen einige feindselig klingende Worte in ihrer Sprache hervor und verschwanden. Die Pitbulls tobten erneut und schnappten bedrohlich in der Luft herum. El Palanca blieb stehen, sammelte eine ordentliche Menge Speichel und spie genau auf die Schnauze eines der Hunde. Dieser leckte sie sich ab und fuhr mit seinem Gebell und seinem drohenden Zähnefletschen fort.
El Manitas forderte Munárriz auf, in den Wohnwagen einzutreten, wo er ein Petroleumöfchen auf einen Tisch stellte. Obwohl er schon seit Jahren keine Informationen mehr lieferte, genoss er nach wie vor einen glänzenden Ruf als Fachmann für Schlüssel und Schlösser aller Art. Er hatte bei verdeckten Operationen für die Polizei wie auch für diverse Geheim- und Nachrichtendienste Panzerschränke in Luxuswohnungen von Drogenhändlern und mit allen Raffinessen gesicherte Safes in den Villen von Mafiabossen geöffnet, ohne je die geringste Spur zu hinterlassen. Gelernt hatte er sein Handwerk von klein auf in der Schlosserei, die sein Onkel Paco el Culebra betrieb, seit er sich von seiner Tätigkeit als Geldschrankknacker zurückgezogen hatte. Paco hatte ihm den Umgang mit der Schlüssel-Kopierfräse beigebracht, und im Laufe der Zeit wurde Chicho, der seinen Spitznamen El Manitas wahrhaft verdiente, zu einem Spezialisten, dem so leicht keiner das Wasser reichen konnte. Bei seinen ersten Einbrüchen war es ihm mit Leichtigkeit gelungen, alle Sicherungen zu überwinden. Sein Rezept war ganz einfach. Wollte ein Kunde einen Haustürschlüssel kopiert haben, hatte er grundsätzlich gleich ein zweites Exemplar für sich selbst angefertigt. Sobald er Namen und Anschrift des Betreffenden in Erfahrung gebracht hatte, brauchte er
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