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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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die Autos, die er fünf Minuten zuvor am Rathaus hatte abfahren sehen. Sie fuhren langsam durch das Getümmel in eine Seitenstraße und blieben dort stehen. Alexej lief näher heran. Die Menschen auf der Straße waren vor einem großen alten Haus versammelt, das glänzend und prächtig aussah, mit einer frisch renovierten, völlig sauberen Fassade. Das Haus war das größte in der Straße und als einziges viergeschossig. Eine Kapelle war aufgeboten und spielte, man aß Würstchen, unterhielt sich oder stand einfach herum, es war wie auf einem Volksfest. Alexej versuchte, auf der gegenüberliegenden Seite vorbeizugehen, und bemerkte einige von den Babelsbergern, die er auf Hornungs Beerdigung gesehen hatte. Sie standen um eine Kamera (einer von ihnen hielt einen Reflektor) und filmten das Geschehen … Der Mann, der Arnold auf der Beerdigung gefragt hatte, wie er nach Frankfurt gekommen sei und ob ihn jemand begleitet habe, machte dirigierende Bewegungen und besprach sich mit dem Kameramann. Als er den Mönch sah, wies er den Kameramann an, ihn zu filmen. Der Kameramann machte sofort einenSchwenk auf ihn. Alexej glaubte auch den Mann hinter der Kamera wiederzuerkennen, es war, wie ihm schien, der, der bei der Beerdigung so rätselhaft gerufen hatte, alles das habe mit Max Hornung nichts zu tun, dieser sei einem teuflischen Spiel aufgesessen. Sie filmten Alexej, wie er an der gegenüberliegenden Hauswand vorbeilief. Alexej betrat ein Geschäft.
    Es war ein Geschäft für Andenken und Töpferwaren. Hübsches Geschirr stand herum, klein und zierlich und mit schönen, ländlichen Mustern, es gefiel Alexej auf Anhieb. Er nahm eine kleine Teetasse in die Hand, fragte, was sie koste, und bezahlte. Hinter dem Tresen bediente eine Frau. Gegenüber werde das Kaufhaus eröffnet, sagte sie. Ja, entgegnete Alexej, das sehe er. Aber warum sind so viele Menschen anwesend? Sie sind ja auch gefilmt worden, sagte die Frau. Alexej: Deshalb habe ich Ihr Geschäft betreten. Haben Sie die Szene beobachtet? Sie: Natürlich. Wahrscheinlich sieht man Sie morgen im Kanal Potsdam. Bestimmt sogar. Sie sind so auffällig vorbeigelaufen, ich habe sofort gesehen, wie sich die Kamera auf Sie gerichtet hat. Drei Minuten vor Ihnen ist der Bürgermeister gekommen. Das ist doch eine Geschichte: »Auch Mönch bei Karstadteröffnung«. Solche Geschichten mögen die Potsdamer. Gehen Sie denn hinein? Er: Hinein? Wie meinen Sie das? Sie lachte. Ob Sie denn in das Kaufhaus hineingehen? Sie verpassen die Ansprache des Oberbürgermeisters. Das ist ganz wichtig, die Ansprache des Oberbürgermeisters. Das ist vielleicht sogar das wichtigste, der Höhepunkt des Ganzen … die Ansprache. Alexej: Nein, er sei nur aus Zufall hier … Sie: DerOberbürgermeister hat ja jahrelang darauf hingearbeitet. (Die Verkäuferin trat näher an Alexej heran und stand nun mit ihm hinter dem Schaufenster.) Er wollte unbedingt, daß der Karstadt wieder eröffnet wird. Er behauptet, es würde die Brandenburger Straße wiederbeleben, überhaupt die Innenstadt. Seit der Vereinigung wollen sie die Innenstadt wiederbeleben. Wissen Sie, was ein Tourist am Tag in Potsdam ausgibt? Nein, entgegnete Alexej, das wisse er nicht. Sie: Drei Euro fünfzig. Soviel Geld wie für einen Milchkaffee. Er: Aha. Sie: Sie kümmern sich wohl nicht so viel um Geld? Er: Nein, er lebe in einem Kloster. Er komme mit Geld sehr wenig in Berührung, er benötige nicht viel. Sie: Aber ein Kloster braucht auch Geld. Er: Wir betreiben eine Buchdruckerei und eine Kerzengießerei. Sie: Alles kostet Geld. Sie können sich offenbar Ihre Naivität leisten. Dinge werden von Ihnen ferngehalten. Ich dagegen kann mein Geschäft bald zumachen, wegen des Karstadt da, schauen Sie doch, es werden ja immer mehr! (Sie wies auf die Leute auf der Straße.) Und dann gehe ich auch ins Kloster. Und wenn wir alle ins Kloster gingen, dann würden Sie schon sehen, was passieren würde, dann wäre nämlich alles gleich wieder wie hier, weil sich dann doch jeder um sich selbst kümmern müßte. Und Sie müßten dann auch wieder damit anfangen. Er: Möglicherweise. Vielleicht haben Sie recht. Nur … Sie: Was hat diese Stadt rotiert, um hier Leben hereinzubekommen. Erst die Bundesgartenschau, dann die Kulturhauptstadtbewerbung, Projekte haben sie ausgedacht, fremde Leute hergeholt, da gab es diesen Skandal mit Oststadt, dieser Serie, die hier inzwischen jedes Kindschaut. Mit diesem Regisseur, oder was er war, aus dem Westen. Oststadt, schon

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