Saturn
Wilmot lebte,
keinen anderen Ausgang hatte. Seit sie untergetaucht war,
hatte sie sich im Schutz der Nacht in Bürogebäude geschlichen
und die sanitären Einrichtungen benutzt. Sie hatte sich sogar
im Haupt-Lagerhaus neue Kleidung beschafft, ohne entdeckt
zu werden. Nun würde sie jedoch das Risiko eingehen
müssen, das Dorf zu betreten und im Blickfeld der
Überwachungskameras an den Laternenpfählen durch die
Straßen von Athen zu laufen.
Wie soll ich das schaffen, ohne gesehen zu werden, fragte sie
sich, während sie durch den Tunnel ging. Ich brauche eine
Tarnung.
Oder ich muss ein Ablehnungsmanöver inszenieren, sagte
sie sich. Sie blieb stehen, setzte sich auf den Boden und dachte
angestrengt nach.
Tavalera ging kilometerweit durch den Haupt-
Versorgungstunnel, der von Athen ausgehend unter den
Gärten und Farmen bis zum Ende des Habitats führte. Keine
Spur von Holly.
Er kam an einem kompakten, kleinen Wartungsroboter
vorbei, der mit einem zornig summenden Staubsauger einen
kleinen Bereich des Metallbodens bearbeitete.
Tavalera blieb stehen und betrachtete den kompakten,
kastenförmigen Roboter. Aus seiner Zeit in der INST wusste
er, dass die Roboter durch diese Tunnels patrouillierten ‒ sie
waren darauf programmiert, eventuelle Freisetzungen zu
beseitigen und Menschen um Hilfe zu rufen, falls sie auf
irgend etwas stießen, das ihre begrenzten Möglichkeiten
überstieg. Tavalera erkannte, dass es mit dieser Stelle eine
gewisse Bewandtnis hatte, obwohl er weder Schmutz noch
Olschmiere sah. Waren es vielleicht Krümel gewesen? War es
möglich, dass Holly hier Rast gemacht und etwas gegessen
hatte?
Er ließ in beiden Richtungen den Blick durch den Tunnel
schweifen. Nachdem der Roboter sich vergewissert hatte, dass
der Abschnitt wieder sauber war, rollte er in Richtung des
Habitat-Endes davon. Er wich Tavalera geschickt aus und ließ
die Sensoren spielen, um sich davon zu überzeugen, dass ihm
wirklich nichts entgangen war.
»Holly!« rief Tavalera in der Hoffnung, dass sie nah genug
war, um ihn zu hören.
Die unter Hausarrest stehenden Cardenas und Gaeta saßen
nebeneinander auf dem Sofa und verfolgten in der Enge ihres
Apartments die Veranstaltung.
»Die Ringe ausbeuten?«, fragte Cardenas atemlos. »Nadia
wird bei diesem Ansinnen einen Anfall bekommen.«
Gaeta stieß ein Grunzen aus. »Ich nicht. Vielleicht hat er gar
nicht mal so Unrecht. Zehn hoch siebzehn ist schließlich eine
sehr große Zahl.«
»Trotzdem …«, murmelte Cardenas.
»Du kennst den Preis für eine Tonne Wasser?«
»Ich weiß, dass es wertvoller ist als Gold«, sagte Cardenas,
»aber das liegt nur daran, dass der Goldpreis total verfallen ist,
seit die Felsenratten die Asteroiden ausbeuten.«
»Die Ringe abbauen.« Gaeta kratzte sich am Kinn. »Könnte
funktionieren.«
»Und was werden wir wegen Holly unternehmen«, fragte
Cardenas mit einer plötzlichen Schärfe in der Stimme.
»Wir können nicht viel tun, nicht wahr?«, sagte Gaeta. »Wir
sitzen hier fest.«
»Jedenfalls im Moment.«
»So?«
»Wir haben immer noch das Telefon«, sagte Cardenas.
»Und wen willst du anrufen?«
»Wer könnte uns helfen? Und Holly?«
» Quien sabe? «
»Was ist denn mit Professor Wilmot?«
»Er war nicht auf der Veranstaltung«, sagte Gaeta.
»Dann ist er wahrscheinlich zu Hause.«
Cardenas befahl dem Telefon, den Professor anzurufen. Es
kam zwar kein Bild, doch Wilmots kultivierte Stimme sagte:
»Ich kann im Moment leider nicht mit Ihnen sprechen. Bitte
hinterlassen Sie eine Nachricht.«
Bevor Gaeta sich zu äußern vermochte, sagte Cardenas:
»Professor, hier spricht Kris Cardenas. Ich mache mir Sorgen
wegen Holly Lane. Ich war so frei, mir ihr Dossier von der
Erde kommen zu lassen, und es entspricht nicht dem Dossier,
von dem Eberly behauptet, dass es ihres sei. Es gibt keinerlei
Hinweise auf eine mentale Störung oder emotionale
Instabilität. Hier stimmt ganz offensichtlich etwas nicht, und
ich würde das gern so bald wie möglich mit Ihnen
besprechen.«
»Unter der Voraussetzung, dass Eberly uns wieder freilässt«,
sagte Gaeta, nachdem die Gesprächslampe des Telefons
erloschen war.
»Er kann uns nicht ewig hier gefangen halten«, erwiderte
Cardenas gepresst.
»Im Moment sitzen wir auf jeden Fall hinter Schloss und
Riegel.«
»Was können wir tun?«, fragte sie sich laut.
Gaeta griff nach ihr. »Du kennst doch den berühmten
Ausspruch.«
Sie ließ sich von ihm
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