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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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einen Stern ins Blickfeld bekommst, kannst du auf der Skala, die am Kupferband eingetragen ist, auf Zehntelsekunden genau den Winkel der Meridianhöhe dieses Sternes ablesen.«
    Ich musste einen Atemzug lang die Augen schließen, um mir zu vergegenwärtigen, was das bedeutete. »Und wozu«, wollte ich schließlich wissen, »benötigt man diese Messungen?«
    Wieder lächelte AH Kuschtschi, und wie mir schien, noch etwas herablassender als zuvor.
    »Wenn du sie durchführst«, sagte er, »Stunde um Stunde, Jahr um Jahr, bis du dir die nötigen Unterlagen geschaffen hast, kannst du den Lauf der Gestirne, den du zurückverfolgst, nach vorwärts, in die Zukunft, berechnen. Weißt du, zu welchen Zeiten die Planeten in den verschiedenen Zeichen des Tierkreises stehen, kannst voraussagen, welche Tage glückverheißend, welche Verderben drohend sein werden, kannst aber auch die Sonnen- und Mondfinsternisse vorher schon wissen und, was am wichtigsten ist, die Gebetszeiten genau bestimmen und ebenso die Kibla. Ist dir nicht aufgefallen, dass die Richtung der Mihrabs in den Moscheen und Medresen Ulug Begs abweicht von jener der früher hier erbauten? Nun, er hat die Kibla genauer errechnet, und so werden auch die Gebete, die die Gläubigen in seinen Gebäuden verrichten, wirksamer sein.«
    Ich hatte mir bisher noch niemals den Kopf darüber zerbrochen, wie die Kibla bestimmt wurde – das heißt die vorgeschriebene Richtung, in der die Gläubigen während des Gottesdienstes ihre Verbeugungen zu machen haben und die von jedem Punkt der Erde nach Mekka zu weisen hat. In jeder Moschee war sie ja angegeben durch das Mihrab, jene meist prächtig ausgestattete Gebetsnische, die das Herzstück des Gotteshauses bildet. Nun aber erwachte meine Wissbegierde, und ich fragte danach.
    »Die Kibla hängt ab von der Lage des Ortes, auf dem du dich befindest. Du weißt ja wohl – oder lehrte man dich das in Padua auch nicht? –, dass die Erde eine Kugel ist, die inmitten des Weltganzen feststeht, und um die sich Sonne, Mond und Sterne auf ihren von Allah für Zeit und Ewigkeit festgesetzten Bahnen bewegen. Stelle dir nun vor, dass durch jeden Punkt dieser Kugel zwei Kreise gezogen werden einer der genau nach Norden und Süden zeigt (nenne ihn Meridian) und einer, der nach Osten und Westen führt (nenne ihn Breitenkreis). Sämtliche Meridiane werden sich in den Polen schneiden, sämtliche Breitenkreise werden parallel zueinander verlaufen und immer kleiner werden bis sie an den Polen zu Punkten zusammengeschrumpft sind Teile diese Kreise in ihre Grade, Minuten und Sekunden ein: die Meridiane, an den Polen beginnend in vier Viertelkreise von je neunzig Grad und die Breitenkreise, vom Nullmeridian beginnend, in zwei Halbkreise von je hundertachtzig Grad. (Als Nullmeridian kannst du natürlich bestimmen welchen du willst – dass wir diesen hier, der durch unsere Sternwarte läuft, genommen haben, wird uns niemand verargen.) Dann gewinnst du ein Gradnetz, auf dem du jeden Punkt der Erde genau angeben kannst. Den Breitengrad eines Ortes findest du, indem du dort den Winkel der Meridianhöhe des Polarsternes misst – den Längengrad, indem du den Zeitabstand bestimmst von der Mittagsstunde des Nullmeridians und der Mittagsstunde des Ortes den du bezeichnen willst, also in unserem Falle Mekkas. Hast du aber die Position von Samarkand und Mekka genau bestimmt, so muss es dir ja auch nicht schwerfallen, den Winkel anzugeben, der sich zwischen unserm Meridian und der Geraden bildet, die sich von Samarkand nach Mekka erstreckt und der ergibt dann die Kibla.
    In den Ulug Begschen Tafeln sind nicht nur tausendundneunzehn Sterne mit ihren Bewegungen eingetragen, sondern auch die Positionen von sechshundertdreiundachtzig Städten, und zwar sowohl aus unserem Land wie auch aus Persien, Anatolien, Armenien, Russland, Syrien und Ägypten bis zum fernsten Maghrib, bis Andalus. Ihnen allen können wir die Kibla genau angeben, und nicht wenige haben sich deshalb schon an uns gewandt.«
    Er hatte sich so in Eifer geredet, dass er sich den Schweiß mit dem Ärmel seines Gewandes von der Stirn wischen musste, und auch mich ergriff es wie ein Taumel. Musste es nicht eine Lust sein, immer tiefer einzudringen in dieses Gedankengefüge? Das seltsame Wort, das Ulug Beg benutzt hatte, fiel mir ein, und: »Was ist Dschaib?« fragte ich unvermittelt.
    »Ja richtig, das sollte ich dir noch erklären. Denke dir einen Winkel. Seine Größe kann bestimmt werden nach Graden,

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