Schattenhaus
wir uns doch sparen!», rief er, während sein Blick über die Liste wanderte. «Es war doch sicher dieser Russe, wie heißt er, Preiß, beauftragt von der Mutter. Da passt alles. Nehmen Sie den doch erst mal in die Mangel, bevor Sie weitere Pläne schmieden. Was wollen Sie denn mit dem Steuerberater? Und mit dieser Kanadierin? Wieso zig legale Besitzer von Magnum-Waffen befragen, die mit dem Fall garantiert nichts zu tun haben? Und was um Himmels willen versprechen Sie sich davon, die Vogel-Kinder vorzuladen? Die wurden doch schon vernommen. Die haben den Täter nicht gesehen. Das bringt doch alles nichts. – Herr Nötzel, wie schätzen Sie das ein?»
Der Staatsanwalt schielte auf Winters Ausdruck, der einsam auf der Tischplatte aus Ahornholz lag. Cheftischqualität. In anderen Büros musste laminierte Spanplatte herhalten.
«Das kommt darauf an, wie viel Personal Sie übrig haben», urteilte Nötzel. «Ansonsten würde ich erst mal abwarten, was die beiden Verdächtigen sagen, diese Renate Vogel und ihr Mieter, der Herr Preiß. Falls die Herrschaften überhaupt zur Vorladung erscheinen. Für eine Verhaftung haben wir noch nicht genug in der Hand. – Was soll noch gleich das Motiv sein? Rache? Weil Thomas Vogel seine Mutter um ihr Erbe gebracht hat?»
«Gerade wegen des Motivs würde ich ja gerne die Kinder und die kanadische Freundin nochmals befragen», mischte Winter sich ein. «Vielleicht hat es irgendeinen aktuellen Anlass gegeben. Einen neuerlichen Streit. Oder dieser Preiß hatte den Auftrag, eine Wertsache aus dem Haus zu stehlen. Das würde auch zu der zerschossenen Tür passen. Jedenfalls haben wir bisher die Aussage von Renate Vogel, sie habe ihren Sohn seit acht Jahren nicht gesehen. Falls sie den Mord oder zumindest einen Raub in Auftrag gegeben hat, muss man sehr bezweifeln, dass ihre Angabe stimmt. Das können uns aber im Moment am ehesten die Kinder oder die Kanadierin sagen oder höchstens noch die Nachbarn der Vogels.»
«Einleuchtend», erklärte Nötzel nickend. «Also, aus Sicht der Staatsanwaltschaft würde ich diese drei Vernehmungen sehr befürworten. Machen Sie die zuerst, bevor Sie sich die Verdächtigen holen. Sie beide melden sich bei mir, wenn Sie denken, das ausermittelt ist oder etwas Unerwartetes geschieht.»
Während Nötzel zu einem anderen Präsidiumstermin entschwand, grummelte Fock Winter an: «Aber auf die überflüssigen Interviews mit haufenweise legalen Waffenbesitzern und dem Steuerberater verzichten Sie dann bitte. Ich kann nicht noch mehr Leute abstellen.» Er zupfte die rote Fliege zurecht und blätterte kritischen Blicks in der Akte. «Ach, was sehe ich denn hier. Das Gespräch mit den Vogel-Kindern hat diese Türkin vom KDD geführt, diese Aksoy. Ich weiß ja, dass Sie von deren Arbeit nichts halten. Verstehe, Sie wollen das mit einer kompetenteren Kraft wiederholen.»
Winter war das etwas peinlich. Zumal seine ehemalige Antipathie gegen Hilal Aksoy mit der Qualität ihrer Arbeit weniger zu tun gehabt hatte als mit ihrem penetrant politisch korrekten Gehabe.
«Also, ob die Vernehmung so schlecht geführt war, weiß ich nicht. Es ist nur so, wir haben eben jetzt Fragen, von deren Relevanz die Kollegin damals nichts wissen konnte.»
«Ja, ja. Besorgen Sie sich die Genehmigung. Wo sind denn die Kinder jetzt überhaupt?»
Das hatte Winter eben übers Vormundschaftsgericht herausbekommen: in einem Heim. Sonnenhof nannte es sich.
***
Wer kam ihm auf dem Weg zur Tiefgarage im verglasten Gang entgegen? Hilal Aksoys kleine, schlanke Gestalt, wie üblich im schwarzen Rolli, die dunklen Haare wie immer streng zurückgebunden. Winter sah sie von weitem kommen und spürte sofort, wie er nervös wurde, was sich erst besserte, als er sie schelmisch grinsen sah. Wenn sie seine erotische Entgleisung auf der Weihnachtsfeier humorvoll nahm, konnte er damit leben. Er grinste ebenfalls.
«Hallo», rief sie. «Wie man an deiner Farbe sieht, gab es auf Fuerteventura viel Sonne.»
War er rot geworden, oder spielte sie nur auf seine Bräune an? Immerhin hatte sie beschlossen, beim Du zu bleiben. Es hätte ja auch sein können, dass Aksoy ihrer beider alkoholische Verbrüderung auf der Feier längst bereute.
«Woher weißt du überhaupt, dass ich weg war?», fragte er.
Sie blieben mitten im Gang stehen.
«Hat mir Sven Kettler erzählt», sagte sie. «Den hab ich in Kalbach anlässlich dieses Doppelmords gesehen. Habt ihr schon rausbekommen, wer das war?»
«Angeblich war es
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