Schattenjahre (German Edition)
sich zu binden, dass sie sich nie wieder losreißen konnte. Aber er steckte gerade mitten in schwierigen Verhandlungen, die mit der Amtsübergabe an seinen Nachfolger bei Cavanagh Construction zusammenhingen. Und sosehr er Sage auch liebte – er konnte sich nicht wie ein pubertärer Junge benehmen und ihretwegen eine wichtige Konferenz verlassen. Auch danach fand er keine Zeit für eine Fahrt nach Cottingdean. Ausgerechnet jetzt … Hätte er doch am vergangenen Abend, als sie davongelaufen war, schneller reagiert … Und danach … Sofort reagierte Daniels Körper auf diese Richtung, die seine Gedanken einschlugen,und er nahm es halb erschrocken, halb belustigt zur Kenntnis.
Aber jetzt, kurz vor einer der schwierigsten Aufsichtsratssitzungen in seinem ganzen Leben, musste er sich auf andere Dinge konzentrieren und sein Privatleben hintanstellen, zumindest für ein paar Tage.
Er stöhnte. Diese paar Tage würden ihm wie eine Ewigkeit vorkommen. Wie sollte er an seine Geschäfte denken, wenn ihn die Sehnsucht nach Sage quälte?
27. KAPITEL
„Was hast du, Darling? Du schaust so nachdenklich drein.“
Sage lächelte ihre Mutter an. Nach deren Entlassung aus der Klinik waren sie mit Scott und Lewis auf eine exklusive Ferieninsel in der Karibik geflogen.
Sie bewohnten eine Villa, die einem Freund des Ranchers gehörte. Hier wollten sie einen Monat verbringen, „damit sich die familiären Beziehungen festigen“, wie Lewis es ausdrückte. Sage bewunderte die Geduld und Klugheit ihrer unbekannten Schwägerin, Scotts Frau, die genug Verständnis und Charakterstärke besaß, um seine Einladung auf die Insel abzulehnen. Averil hatte mit Sage telefoniert und erklärt, die Zwillinge und ihre Eltern müssten in dieser ersten gemeinsamen Zeit allein sein. „Ich freue mich schon darauf, dich kennenzulernen, Sage. Aber ihr vier habt jetzt sehr viel nachzuholen. Scott hofft, du wirst mit deiner Mutter so bald wie möglich lange Ferien bei uns verleben. Faye und Camilla sind uns natürlich auch willkommen.“
Doch das waren Zukunftspläne. Vorerst zählten nur vier Menschen, von Liebe und Blutsbanden vereint – und einander trotzdem noch fremd in so mancher Hinsicht.
Sage beobachtete die Liebe zwischen ihren Eltern, spürte auch Scotts Liebe zu seiner Frau. Das Beisammensein mit ihren nächsten Verwandten beglückte sie. Vor allem freute sie sich über ihr enges Verhältnis zur Mutter, über die Gewissheit, dass Liz sie stets geliebt hatte – viel mehr, als sie es verdiente. Aber das Glück war nicht vollkommen, weil sie Daniel schmerzlich vermisste. „Ich musste nur an was denken“, antwortete sie leise.
„An Daniel Cavanagh“, erriet ihre Mutter. Es gab keine Geheimnisse zwischen ihnen. Liz musste nicht mehr verbergen, wie viel ihr die Tochter bedeutete, die Lewis so ähnlich war. Sanft strich sie ihr das Haar aus der Stirn und betrachtete prüfend ihr Gesicht. „Du liebst ihn sehr, nicht wahr?“
„Zu sehr“, gestand Sage trocken. „Selbst wenn er meine Gefühle erwidern würde, was nicht der Fall ist, müsste ich mich fragen, ob eine solche Beziehung wünschenswert wäre. Wenn man jemanden so übermäßig und bedingungslos liebt, wird man verwundbar.“
„Vor der Liebe solltest du dich niemals fürchten.“
Sage lachte. „Gab es jemals eine Zeit, wo du es vorgezogen hättest, meinen Vater nicht so schrecklich zu lieben?“
„Nein“, erwiderte Liz wahrheitsgemäß. „Hätte ich ihn nicht geliebt, wärst du nicht auf der Welt. Natürlich wollte ich bei ihm sein, und ich sorgte mich so um Scott. Edward erlaubte mir, einmal im Jahr einen Brief von Lewis entgegenzunehmen. Und dein Vater war großzügig genug und teilte mir regelmäßig mit, der Junge wachse gesund und glücklich auf. Und ich hatte dich, meine geliebte, einzigartige Tochter, die ganz das Kind ihres Vaters ist. Immer hatte ich Angst, Edward würde merken, wie sehr ich dich liebe, und verlangen, ich solle mich von dir trennen.“
„Ich weiß.“ Tränen schimmerten in Sages Augen. Sie bewunderte die Tapferkeit ihrer Mutter, die Widerstandskraft, die Charakterstärke, die sie aufgeboten haben musste, um ihre Einsamkeit und Furcht zu ertragen.
„Bald fliegen wir nach Hause“, betonte Liz. „In ein paar Tagen.“
„Und dann werdet ihr beide, du und Dad, gewaltiges Aufsehen erregen, wenn ihr eure bevorstehende Hochzeit bekannt gebt. Ich weiß immer noch nicht, ob ich das alles schaffen werde – Haus Cottingdean, die Schafherde, die
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