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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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ihr zuliebe und nicht, weil ich sie so dringend brauche. Allmächtiger, gib mir Kraft, flehte sie stumm, während sie in den Wagen stieg. Gib mir die Kraft, die ich benötige – nicht für mich selbst, sondern für Liz und Camilla. Vielleicht auch für Sage, fügte sie in Gedanken hinzu, warf einen Blick auf die Schwägerin und fragte sich, ob diese ihre eigene Willenskraft erkannte, die zu Liz’ besonderen Gaben zählte. Wie so manche Talente ein zweischneidiges Schwert waren, das zum Wohl anderer geschliffen oder bedrohlich geschärft werden konnte, um schwächere Mitmenschen zu treffen …
    Dem Himmel sei Dank für Sage … Faye schloss die Augen, lehnte sich in die Polsterung zurück, seelisch und körperlich erschöpft. Sie sehnte sich nur noch nach der Flucht, nach ihrem Frieden, und wusste, welch geringe Chancen sie hatte, beides zu erlangen.
    „Hast du Liz’ Unterlagen durchgesehen?“ Sie tranken Tee, von Jenny serviert, die streng dastand, bis die Tassen gefüllt waren, und den Protest ignorierte, sie seien nicht hungrig. Liz’ Gewohnheiten beherrschten auch in ihrer Abwesenheit den Haushalt. Vielleicht klammern wir unsalle auf verschiedene Art an diese Gewohnheiten, dachte Sage, im instinktiven Glauben, wenn sie sie beibehalten würden, könnte Mutter am Leben bleiben.
    „Ja“, beantwortete sie Camillas Frage und runzelte die Stirn. Sie hatte die Unterlagen gelesen, aber keinen Hinweis darauf gefunden, wie ihre Mutter den Bau der Straße verhindern wollte.
    „Du zweifelst am Erfolg der Bürgerinitiative“, erriet Camilla scharfsinnig.
    „Das kann ich jetzt noch nicht sagen, aber es sieht nicht gut aus. Wenn die Straße in einer archäologisch oder landschaftlich interessanten Gegend gebaut würde, hätten wir stichhaltige Argumente vorzubringen. Doch soweit ich es beurteile …“
    „Gran würde einen Weg finden“, behauptete Camilla kampflustig. „Und außerdem – im Grunde ist es dir egal, was? Haus Cottingdean bedeutet dir nichts.“
    „Camilla!“, tadelte Faye. „Das ist unfair, und es stimmt auch gar nicht.“
    „Sie hat recht.“ Sage bemühte sich, mit möglichst ruhiger Stimme zu sprechen, und stellte ihre Teetasse ab. „Ich empfinde nicht so viel für dieses Haus wie ihr. Es ist sehr schön, aber eben nur ein Haus – keine heilige Hinterlassenschaft. Doch es geht nicht nur um euer Heim, sondern auch um das Dorf, um die Existenz der Leute. Ohne die Spinnerei würden sie ihre Arbeitsplätze verlieren. Dann dürfte das Dorf bald aussterben. Trotzdem werden die Planer in Whitehall die Bedürfnisse von ein paar Dorfbewohnern nicht über die Interessen der Autoindustrie stellen.“
    „Gran hat ihnen einen anderen Bauplatz angeboten, hinter den Rieselwiesen.“ „Ja, auf sumpfigem Land, das erst entwässert werden müsste. Das würde Unsummen verschlingen.“
    „Ich verstehe nicht, wieso du zu der Versammlung gehst, wo es doch offensichtlich ist, dass dich das alles nicht berührt …“
    „Jetzt reicht es, Camilla“, unterbrach Faye ihre Tochter.
    „Doch, es berührt mich“, widersprach Sage. „Aber ich weiß nicht, wie Mutter die Behörden umstimmen wollte. Den Unterlagen ist nichts dergleichen zu entnehmen. Sicher hat sie irgendeinen Plan, und den kennt leider nur sie selbst. Hoffentlich gelingt es mir, die Bauarbeiten hinauszuzögern – bis ein Wunder geschieht und Mutter rechtzeitig gesund wird, um alles Weitere zu organisieren, ehe es zu spät ist.“
    Die anderen schwiegen. Nur zu deutlich erkannten sie, dass tatsächlich ein Wunder erforderlich war.
    Sage freute sich keineswegs auf die Versammlung. Das gestand sie sich ein, als sie später nach oben ging. Sie war es nicht gewöhnt, listige Tricks anzuwenden, und viel zu taktlos und direkt. Die subtile Überredungskunst der Mutter fehlte ihr. Im Umgang mit Behörden besaß sie keine Erfahrungen, und es reizte sie auch nicht, welche zu sammeln. David hatte einmal versucht, ihr das Schachspiel beizubringen, und ihre Ungeduld, ihren Mangel an Logik sanft getadelt, ihre Unfähigkeit, geradlinig zu denken, kühl und mathematisch Pläne zu schmieden. Nein, Verhandlungsgeschick gehörte nicht zu ihren Vorzügen, aber an diesem Abend musste sie es sich irgendwie aneignen und der Mutter nacheifern.
    Während sie den Schrank öffnete, erkannte sie mit ironischer Belustigung, wie sehr sie sich bereits veränderte – in ihren Ansichten, in ihrer Haltung, sogar in der Kleidung. An diesem Abend entschied sie sich gegen den

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