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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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Last seiner Pflichten, die vier jüngere Männer hätten bewältigen müssen. In den Kriegsjahren hatte er viel Leid gesehen und, um sich selbst zu schützen, eine gewisse Distanz zu den Dingen entwickelt, ohne die er vermutlich wahnsinnig geworden wäre. Aber irgendetwas an Edward berührte ihn immer noch.
    „Es geht um Lizzie – Miss Bailey“, erklärte der Patient. „Als wir heute Morgen im Park waren, fühlte sie sich nicht wohl. Und niemand will mir sagen, was mit ihr geschehen ist.“
    Der Arzt war kein engstirniger Mensch. Ein Blick in das bleiche, unglückliche Gesicht des Mädchens, zu dem ihn die Stationsschwester geholt hatte, war genug gewesen. Die Kleine tat ihm schrecklich leid, und gleichzeitig ärgerte er sich über sie. Was für Närrinnen diese jungen Dinger waren! Je unschuldiger, desto dümmer.
    Während er Edwards angespanntes Gesicht musterte, dachte er: Wenn ich nichts von seinen Amputationen wüsste, könnte ich fast glauben … Nun, immerhin besteht die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass er der Vater des Kindes ist. „Die dumme Gans hat sich in Schwierigkeiten gebracht“, erwiderte er brüsk. „Das ist nun mal das große Problem dieser Mädchen. Die jungen Männer verdrehen ihnen die Köpfe, erzählen ein paar Lügen, schwören ihnen ewige Liebe … Bedauerlicherweise kann man nichts dagegen tun. Die Regeln müssen eingehalten werden, also schicken wir Miss Bailey nach Hause. Sie hat nurmehr eine Tante, und die muss ein grässlicher Drachen sein – eine Freundin unserer Oberschwester. Vermutlich wird sie das arme Kind nicht allzu gut behandeln. Aber was sollen wir machen? Für dumme junge Mädchen ist hier kein Platz.“
    Schockiert starrte Edward ihn an. Lizzie – die kleine Lizzie – schwanger … Unglaublich! „Und der Vater des Babys?“
    Der Doktor zuckte die Achseln. „Tot, soviel ich weiß. Das hat die Oberschwester irgendwie aus Lizzie herausgekriegt. Aber den Namen wollte die Kleine nicht nennen. Ein Luftwaffenpilot. Wahrscheinlich hatte er nie die Absicht, sie zu heiraten, aber das will sie sicher nicht wahrhaben, die Ärmste …“
    Lizzie schwanger – Lizzie, selbst noch ein Kind, so rein und unschuldig, dass Edward hätte schwören können … Und plötzlich erkannte er die Wahrheit. Lizzie – seine Lizzie – erwartete ein Kind von Kit. Warum er es wusste, überlegte er nicht, auch nicht, warum er diese heftigen, besitzergreifenden Gefühle für sie empfand. Er dachte nur an zwei Tatsachen. Erstens – Kit, sein verhasster Vetter, hatte Lizzie die Unschuld genommen, sie zweifellos belogen und verlassen. Zweitens – er musste sie sehen, mit ihr reden …
    Während der restlichen Nacht blieb er wach und schmiedete Pläne. Wie der Doktor verraten hatte, wollte man Lizzie am Morgen mit Schimpf und Schande heimschicken. Edward, schon immer ein fantasiebegabter Mann, verstand alles, was der Arzt nicht ausgesprochen hatte. Selbst in einer kleinen Gemeinde aufgewachsen, konnte er sich nur zu gut vorstellen, was Lizzie und ihrKind erwartete, wenn sie bei ihrer Tante bleiben musste.
    Das würde er nicht zulassen. Ein solches Leid verdiente Lizzie nicht. Ihr Baby … Plötzlich unterbrach er seinen Gedankengang. Es würde sein Neffe oder seine Nichte sein. Und sein Erbe. Eines Tages würde dieses Kind Cottingdean übernehmen. Andere Erben gab es nicht. Kit war tot – gut so …
    Aber Edward konnte Lizzie helfen. Nach dem Gesetz war er immer noch ein Mann – und nicht nur irgendeiner, sondern der Besitzer des Hauses, das eines Tages ihrem Kind gehören würde.
    Unter anderen Umständen wäre es seine Pflicht gewesen, zu heiraten und Erben für das Land und das Haus zu zeugen. Doch Lizzie trug bereits ein Kind unter dem Herzen – das einzige, in dessen Adern Danvers-Blut floss. Nun überschlugen sich seine drängenden Gedanken. Wenn er sie heiratete …
    Seine Ohren dröhnten, und ein eigenartiges Schwindelgefühl erfasste ihn, als hätte er ein wunderbares Geheimnis entdeckt und herausgefunden, dass es auch in seinem Leben noch Hoffnung und eine Zukunft gab.
    Während er im Bett lag, erschöpft von seinen ungeheuerlichen Überlegungen, fragte er sich, ob das Schicksal doch noch Erbarmen zeigte und ihm die so verzweifelt ersehnte Rettungsleine zuwarf, damit er vielleicht etwas aus den wertlosen Resten seiner zerstörten Existenz machen konnte.
    Cottingdean besaß er bereits. Was hinderte ihn daran, auch noch alles andere zu ergattern? Kits Erbe gehörte ihm – warum

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