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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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abgestandener Luft, doch in dieser Wohnung auszuharren, bis die Fronten geklärt waren, erschien Martin allemal besser als das bescheidene Domizil, in dem Jerome hauste und welches er eine Nacht auf einer verfilzten Couch mit ihm teilen durfte. Auch die Nacht danach war nicht viel besser gewesen: eineinhalb Flugstunden entfernt, inmitten eines gruseligen Waldes, in dem sich Wildschweine und Wölfe, ein möglicherweise dementer Professor mit verrückten Ideen und dessen letzter Verbündeter die Finsternis teilten. In dieser Nacht würde er besser schlafen, da war er sich sicher, doch bis dahin gab es noch eine Menge zu tun.
    Er zog den Anzug aus, nahm die Maske ab, stellte sich unter die Dusche und wusch sich mit dem Dreck der letzten Tage alle ihm anhaftenden düsteren Verschwörungstheorien ab. Wenn es doch nur so einfach wäre: alles mit einer belebenden Dusche den Abfluss hinunterzuspülen. Er war kein Kind mehr. Er wusste, dass es sich nicht so verhielt. Im Spiegel betrachtete er seine neue Frisur. Jerome hatte die Maschine auf zwanzig Millimeter eingestellt und sich keine Mühe gemacht, Stufen oder dergleichen hineinzukreieren. Der Bart fehlte ihm eigenartig wenig und doch war es nicht er, der ihn dort anglotzte. Faltig unter den Augen, die Wangen während der letzten Tage eingefallen, bleiche Haut und Augen, die wenig Zuversicht und Hoffnung ausstrahlten.
    Im Schrank neben sich fand er seinen alten Braun Rasierer und glättete die Haut. Ein leidiges, aber notwendiges Detail für ein einigermaßen angenehmes Tragen der Silikon-Maske. Die Haare waren schnell getrocknet, ein Umstand, den er von seiner langen Matte nicht kannte und da der Sommer vor der Tür stand, begrüßte er seine Veränderung mehr, als er noch Wochen zuvor zugegeben hätte. Er schlüpfte in bequeme Jeans und zog über das T-Shirt einen blauen, jugendlich wirkenden Kapuzenpulli. Er hatte bereits ein wenig Übung darin, die Maske vorsichtig, ohne sie zu sehr zu dehnen oder einreißen zu lassen, anzulegen. Er kämmte die Haare zurück und produzierte aufrecht stehende Stacheln. Die Augen, in die er blickte, waren seine, wie Minuten zuvor, aber das war auch schon alles. Unglaublich, wie echt diese Maske die Realität verzerrte. Wieder drängte sich ihm der Gedanke an das echte, ehemalige Vorbild für dieses Gesicht auf. Wer mag es gewesen sein? Was ist, wenn ich ihm begegne? Martin schüttelte, sich im Spiegel betrachtend, den Kopf. Nein, so dumm würde Jerome nicht gewesen sein, einem Typen den Ausweis zu klauen, der auch in Hamburg lebte, obwohl … wer wusste das schon.
    Martin beschloss, sich von diesen Überlegungen nicht verrückt machen zu lassen. Es gab Bedeutsameres, das seinen Puls in die Höhe schnellen ließ. Herzrasen, wenn er sich in den nächsten Tagen und Nächten den Kopf über seine Zukunft zerbrechen müsste. Er nahm den grünen Overall aus der Plastiktüte, faltete ihn und steckte ihn in einen Rucksack. Nun war sein jüngeres Ich bereit, ein zweites Mal die Show vom jungen neuen Mieter dieser Wohnung abzugeben. Er verließ die Wohnung, hüpfte die Stufen hinab und blickte provozierend in die Augen des Mannes, der eine lange Schicht vor sich hatte. Martin warf den Rucksack auf den Rücken und steckte kleine Ohrhörer in die Ohren. Das IPOD in der Tasche rundete sein vorgetäuschtes Alter ab. Der Fahrer des BMW schien gelangweilt zu sein. Was er sah, war ein Postbeamter, ein Banker oder sonst so ein Yuppie, der die Berufskleidung abgelegt und sich umgezogen hatte, um sich seiner Freizeit zu widmen. Martin steuerte auf der Osterstraße die Filiale der Deutschen Bank an, zückte seinen neuen Ausweis und eröffnete mühelos ein Girokonto mit einem Hundert-Euro-Schein. Er würde in den nächsten Tagen Geld von anderen Konten darauf einzahlen oder abbuchen lassen. Ein neuer Mieter, der seine Kaution zurückbekommt oder die Abstandssumme für die Küche zurückerstattet bekam. Irgendetwas würde ihm schon einfallen. Viel musste es ja auch nicht sein, genug, um für das alltägliche Leben flüssig zu sein. Nach seinem Besuch in der Bank, wo er nett in die Kamera geblickt hatte, besorgte er sich eine SIM-Karte und schaltete die Ortungsoption seines Handys aus. Für ein kurzes Gespräch würde es reichen, solange nicht die Private- Protect- Software installiert war.
    Susannes Handy klingelte ein einziges Mal, da nahm Werner ab. Es war gegen halb sechs am späten Nachmittag.
    »Hallo, Schatz.«
    »Hi, Werner. Alles klar?«
    »Ja, Schatz,

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