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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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eiskalter Schauer über den Rücken.
    »Du solltest vorsichtiger sein.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr.« Ich hatte mir nach dem Erlebnis fest vorgenommen, mir das nächste Mal ein Taxi zu nehmen. Selbst wenn ich mir das Geld von jemandem leihen musste. Das war mir allemal lieber, als um mein Leben fürchten zu müssen.
    »Das ist jedenfalls mein Dankeschön an dich.« Ich zeigte auf die reichlich mit Käse belegte Pizza, deren Duft den ganzen Raum erfüllte. Er probierte ein Stück und sagte: »Die schmeckt ja köstlich.«
    »Freut mich.«
    Ein älteres Pärchen, das zu den Stammgästen des Desert Spring gehörte, betrat das Café. Ich hatte die beiden bereits kennengelernt. Sie waren nett, wenn auch etwas konservativ. Meistens bevorzugten sie den Tisch, an dem wir gerade saßen. Abigail kam aus der Küche, um sie zu begrüßen, aber als der Mann Rin an seinem Stammplatz sitzen sah, verzog er angewidert das Gesicht. Man sah ihm den Abscheu förmlich an.
    »Wir haben auch noch andere Tische frei«, redete Abigail besänftigend auf ihn ein.
    »Schon gut, wir wollten Ihnen nur einen guten Abend wünschen, Miss Stanford, und uns dann nach draußen setzen. Das Wetter ist ja gerade sehr schön.« Und schon waren sie im Vorgarten verschwunden.
    »Was war denn das?«, wunderte ich mich.
    Rin seufzte und stocherte mit der Gabel in einer Salamischeibe. »Offensichtlich hat es etwas mit mir zu tun.«
    »Das glaube ich nicht. Der war nur sauer, weil wir an seinem Tisch sitzen.«
    Er spießte die Wurst auf, ließ sie dann aber wieder lustlos auf den Teller fallen. »So etwas passiert mir öfter. Die Leute haben sich offenbar noch nicht an meine Anwesenheit gewöhnt.«
    »He, mach dir deswegen keinen Kopf«, versuchte ich, ihn zu beruhigen. »Selbst wenn es an dir lag, pfeif einfach drauf.«
    »Keine Sorge. Ich nehme es mir nicht zu Herzen. Dafür genieße ich den Abend viel zu sehr.« Er lächelte zärtlich. »Trotzdem ist es wahr, dass ich nicht viele Freunde habe und öfter anecke.«
    »Letzteres ist mir nicht aufgefallen.«
    »Dann kann ich mich in deiner Gegenwart gut verstellen. Die Wahrheit ist, ich habe nicht viel Erfahrung in … sozialen Dingen. All diese Details … diese Regeln.« Er fuhr sich über die Stirn und rieb sie, bis sie rot wurde.
    »Als ich nach Calmwood kam, wusste ich nicht mal, dass ich Geld brauchte, um mir Dinge zu kaufen. Ich bot ihnen einfach ein paar Lederbeutel oder Schnitzereien an, die ich gegen etwas zu essen tauschen wollte.«
    Ich unterdrückte ein Schmunzeln. Kein Wunder, dass die Leute ihn manchmal sonderbar fanden. Er war nun einmal unter ganz anderen Bedingungen aufgewachsen als sie.
    »Wollen wir einen Spaziergang machen?«, fragte er. »Wenn ich aufgegessen habe, meine ich.«
    »Sehr gern.« Wahrscheinlich fühlte er sich nach dem Vorfall nicht mehr wohl im Café. Mir hingegen gefiel die Idee aus einem ganz anderen Grund. Endlich würden wir allein sein. Richtig allein, ohne Gäste um uns herum.
    Vielleicht bildete ich es mir nur ein, doch Rin schlang seine Pizza nun förmlich hinunter. Er tupfte sich den Mund mit der Serviette ab und deutete mit dem Kopf zur Tür. »Wollen wir?«
    »Klar.«
    Wir verließen das Desert Spring und liefen die Hauptstraße in Richtung Norden hinauf. Es war ein warmer, klarer Abend. Die ersten Sterne leuchteten am Firmament, und der Himmel strahlte in einem satten Violett. In Berlin hatte ich nie auf diese Dinge geachtet, aber Rin gelang es, mich auf all die wundersamen Details aufmerksam zu machen, die uns umgaben.
    »Das ist eine alte Eisenbahnlinie, die heute nicht mehrgenutzt wird«, erklärte er und folgte den Gleisen, die von Denver, Colorado, nach Rapid City führten.
    »Warum hat man sie stillgelegt?«
    »Man sagt, Banditen hätten die Züge oft überfallen, so dass man sie umleitete. Die Gegend um die Black Hills bot ihnen ein gutes Versteck. Heute ist alles zu stark verrostet, um genutzt zu werden.«
    Ich balancierte auf einer Schiene und streckte die Arme nach beiden Seiten aus, um das Gleichgewicht zu halten. »Das klingt nach Robin Hood, findest du nicht? Das Versteck im Wald? Die Raubzüge?«
    »Nur haben sie es nicht den Armen gegeben, sondern alles für sich behalten.«
    »Ob die Beute noch in den Wäldern ist?«
    Er lief hinter mir auf der Schiene und hielt sich mit beiden Händen an meinen Schultern fest, so dass wir eine menschliche Lokomotive bildeten. »Tut-tut«, rief ich und lachte. Wir folgten den Gleisen immer weiter nach Norden. An

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