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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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versprechen, dass du nicht allein hierher zurückkehrst.«
    Kes zögerte. Genau das war ihre Absicht gewesen: Sie hatte durch das Loch klettern und ein kleines Stück die Treppe hinaufgehen wollen. Aber sie brachte es nicht fertig, Daggin mit einem falschen Versprechen zu belügen.
    »Das dachte ich mir«, sagte er. »Kes, was soll ich nur mit dir machen? Neugier ist recht und schön und Mut zählt zweifellos zu den Tugenden, aber beides zusammen kann zu dummer
    Tollkühnheit führen. Du musst lernen, deine Impulsivität zu zügeln. Genau darum geht es bei wahrer Weisheit.«
    Kes kochte innerlich und schirmte ihr Selbst ab, damit Daggin nichts von ihrer emotionalen Reaktion merkte. Was bildete er sich ein, sie zu belehren? Hatte er etwa »wahre Weisheit« entwickelt? Er war kaum älter als sie.
    Er trat auf sie zu, ergriff ihre Arme dicht unter den Schultern und sah besorgt auf sie hinab. »Bitte versprich es mir«, sagte er sanft und etwas in seiner Stimme weckte ihre Aufmerksamkeit.
    »Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustößt.«
    Ein ungewohntes Gefühl regte sich in Kes, etwas, das sie noch nie zuvor empfunden hatte. Es war seltsam angenehm, wie eine sonderbare Melodie, die einem nicht mehr aus dem Kopf wollte. Sie spürte Daggins Blick auf sich ruhen und sah zu ihm auf. »Ich verspreche nicht, diesen Ort nie wieder aufzusuchen. Aber ich werde dir Bescheid geben, bevor ich mich hierher auf den Weg mache.«
    Er nickte und einige Sekunden lang sahen sie sich stumm an.
    Dann drehte sich Kes um und schritt durch den Tunnel in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    Kes’ erste Konfrontation mit dem Ältesten namens Toscat fand statt, kurz bevor sie ihr Haar abschnitt. Ihre Eltern mochten sich fragen, ob das eine zum anderen geführt hatte, aber diese Dinge spielten für Kes später keine Rolle mehr.
    Für gewöhnlich bat man erst dann um eine Audienz bei den Ältesten, wenn man mindestens drei oder vier war, und Kes begegnete irritierten Blicken, als sie sich an Toscats Sekretär Marlath wandte und ihn um ein Gespräch mit dem Ältesten bat. Der Umstand, dass ein Kind um eine Audienz ersuchte, amüsierte Marlath und er arrangierte das Treffen auf eine Weise, die Kes herablassend fand.
    Aber sie sagte nichts. Sie versuchte zu lernen, ihre Zunge zu hüten, denn inzwischen wusste sie, dass sie durch ihre vorschnellen Bemerkungen häufig in Schwierigkeiten geraten war. Sie wollte ein Ziel erreichen und durfte sich dabei nicht selbst Hindernisse in den Weg legen.
    Für die Begegnung mit Toscat wählte sie ihre Kleidung sorgfältig aus. Sie entschied sich für ein schlichtes, konservatives Erscheinungsbild, in der Hoffnung, damit bei einem Ältesten auf Anerkennung zu stoßen. Die Sachen waren so neutral in Hinsicht auf Farbe und Stil, dass sie überhaupt kein Aufsehen erregten. Kes hielt sie für langweilig, aber diesmal ging es nicht darum, dass sie sich selbst gefiel. Sie schwor sich, dass sie in Zukunft auf keinen Fall die
    unscheinbaren Gewänder tragen würde, mit denen sich die meisten Ocampa-Frauen kleideten. Sie würde irgendeinen Weg finden, anders zu sein.
    Gründlich kämmte sie ihr langes, goldenes Haar, bis es glänzte, band es dann zusammen und sah in den Spiegel. Sie wirkte färb- und reizlos, was für eine Begegnung mit Toscat vermutlich genau richtig war. Während sie ihr Spiegelbild betrachtete, stellte sie fest, dass sie schön nahezu erwachsen war. Sie sah fast so aus, wie sie während der nächsten sieben oder acht Jahre aussehen würde, bis sie das Morilogium erreichte, die letzte Phase ihrer Existenz, in der ein schneller Alterungsprozess innerhalb weniger Monate zum Ende des Lebens führte.
    Alle Ältesten hatten Büros im Versammlungsgebäude und Kes wartete in einem weißen Vorzimmer, während Toscat in seinem Büro das Gespräch mit einem anderen Ältesten
    beendete. Sie fragte sich, worüber die Alten sprachen, wie sie ihre Tage verbrachten. Eigentlich gab es gar nichts für sie zu tun. Der Beschützer lieferte alles Notwendige und gelassene Selbstgefälligkeit prägte die Existenz der meisten Ocampa.
    Deshalb ergaben sich kaum Probleme. Dennoch schienen die Ältesten zu glauben, wichtig zu sein.
    Kes sah auf und merkte, dass Marlath sie musterte. Er war etwa ein Jahr älter als sie, verhielt sich aber so, als wäre er ebenfalls ein Ältester. Sie fand ihn arrogant.
    »Sag mir, Kes«, wandte er sich telepathisch an sie. »Was möchtest du mit Toscat besprechen?«
    »Ich

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