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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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marschierte los. Sie war eine Frau, die immer das letzte Wort haben musste, und es gab wohl kaum einen Mann, der sie davon abhielt.
    »Ich frage mich nur, wer von uns beiden, Mr Flynn.«
     
    Scheiß auf Shepard, beschloss er. Vielleicht war es einfach noch nicht an der Zeit. Vielleicht würde es das nie sein.

    Flynn verlief sich im Krankenhaus. Er spähte in Räume und erschreckte alte Menschen und Praktikantinnen zu Tode. Erinnerungen und Assoziationen lösten sich von weit hinten in seinem Kopf wie billige Plastikfliesen. Durch eine offene Tür sah er eine Frau in einem ähnlichen Zustand wie seine Mutter. Sie war an dieselben Maschinen angeschlossen und genauso tot. Der Kopf war ausgeschaltet, aber die Lungen mussten weiter und weiter pumpen, ohne jeden Zweck.
    Er nahm den Fahrstuhl und sah einen Mann mit Blumen in der Hand herauskommen und in Richtung Entbindungsstation stürmen. Flynn hatte Süßigkeiten und einen Teddy dabeigehabt, war aber zu spät zur Geburt seines Sohnes gekommen. Er hatte im Stau gestanden, im Schnee – immer wenn es drauf ankam, steckte er im Schnee fest -, und wurde auf der Station mit blutleeren Gesichtern von Mariannes Eltern empfangen.
    Beide weinten. Beide streckten sie die Arme aus. Beide versuchten sie, ihn zu umarmen. Und der Bär starrte ins Leere. Das Baby im Leichenschauhaus. Marianne in ihrem Zimmer, allein, im Fernsehen lief der Wetterkanal. Auch sie streckte die Arme nach ihm aus. Sie hatte den Jungen Noel genannt, wegen des Schnees. Und dieser Mistkerl von Alvin wartete irgendwo auf der Welt darauf, in Flynns Bett zu steigen.
    Flynn drückte auf den Schalter für die automatische Tür nach draußen. Die Kälte schlug ihm ins Gesicht, und er stieß die Luft aus, die sich seit Tagen angestaut hatte. Er suchte nach seinem Leihwagen, einem blauen Ford Taurus, aber der Schnee hatte den gesamten Parkplatz bedeckt. Er wischte die Motorhauben ab. Irgendetwas
war ihm peinlich, und er wusste nicht, warum. In ihm stieg die Wut hoch.
    Von der Straße her kam eine Frau auf ihn zu, ein dunkler Schatten, der den weißen Schleier durchbrach.
    Das Erste, was einem an ihr auffiel, waren die Orchideen-Tattoos, die sich an ihrem Hals hochschlängelten. Das zu Bändern verknotete Haar hing ihr ins Gesicht, die tiefen dunklen Augen schauten aus ihren Höhlen hervor. Ihre Ohren waren komplett gepierct, in jedem Läppchen steckten vier oder fünf Ringe. Ihre schlaffen Gesichtszüge zeugten von einem anstrengenden Leben. Sie trug mitten im Winter Netzstrümpfe, außerdem eine zu große Lederjacke und jede Menge Ketten und Nieten.
    Den Ausdruck Junkie benutzte man nicht mehr, aber bisher gab es keinen anderen, politisch korrekteren. Drogenabhängige traf es nicht richtig. Crack-Hure war etwas vorschnell, kam aber womöglich hin. Flynn wurde kaum noch von Nutten angesprochen, weil die Mädchen ihm schon von Weitem ansahen, für wen er arbeitete. Vielleicht hatte sich das geändert, seit er nicht mehr auf der Seite der Polizei stand.
    Für die 59 th Street Bridge war sie zu attraktiv. Sie sah eher nach Greenwich Village oder East Side aus. Er konnte sich nicht vorstellen, was eine Prostituierte aus Manhattan hier draußen im Schneesturm auf dem Parkplatz des Stonybrook Hospitals zu suchen hatte.
    Er sah sofort, dass sie stoned war. »Ist dir nicht kalt?«, fragte er.

    Sie zog einen Zettel aus der Tasche und hielt ihn ihm entgegen. »Das soll ich Ihnen geben.«
    »Mir?«
    »Genau.«
    Er zögerte und sah sich aufmerksam um, ob noch irgendjemand dort war. Es konnte eine Falle sein. Shepards Anwälte, die ihm Kinderpornos andrehen wollten. Das Mädchen kam noch einen Schritt auf ihn zu. Schnee sammelte sich in ihrem Haar und bedeckte ihre Tattoos. Seufzend nahm er den Zettel entgegen. Hoffentlich war es kein Fehler.
    Darauf stand mit Maschine geschrieben:
    DAS IST ALLES IHRE SCHULD
    Flynn blickte zu ihr hoch und sagte: »Was soll der Scherz?«
    »Das ist kein Scherz. Glaube ich jedenfalls nicht.«
    »Wer hat dir das gegeben?«
    »Das darf ich nicht sagen.«
    »Sag es mir trotzdem.«
    »Ich kann nicht.«
    »Was bedeutet das?«
    »Wissen Sie das nicht?«
    Dies war ein neues Spiel, eines, das er noch nie gespielt hatte. Er runzelte verwirrt die Stirn, und sie lächelte ihn traurig an. Ihr schwarzes Haar wehte wie von einem Windstoß getrieben in die Luft. Die Schneeflocken fielen von ihr ab und färbten sich erst rosa, dann rot. Ihre Augen weiteten sich ohne ersichtlichen Grund zu ganzer Klarheit. Ihre

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