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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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breitete die Arme zu einer hilflosen Geste aus. Lüder verstand ihn. Wer hätte Große Jäger umstimmen können?
     
    Zumindest hatte Lüder den Oberkommissar überzeugen können, kurz bei sich zu Hause vorbeizufahren und ein paar Sachen einzupacken. Es dauerte nur wenige Minuten, bis Große Jäger wieder auf dem Parkstreifen gegenüber seiner Wohnung in der Herzog-Adolf-Straße erschien, nur wenige Gehminuten von der Polizeidirektion entfernt.
    Lüder hatte überlegt, ob er Margit warnen sollte, dass Große Jäger wieder einmal bei ihnen zu Hause zu Gast sein würde. So begeistert sich auch die Kinder, insbesondere Jonas, zeigten, so schwer würde es werden, Margit zu überzeugen.
    Sie hatten Husum noch nicht verlassen, als Große Jäger herumdruckste.
    »Können Menschen so grausam sein?«, überlegte er laut, und Lüder wusste, dass er von den Tätern sprach. »Was muss Asmussen in seinen letzten Minuten durchgemacht haben? Ich kannte ihn vom Ansehen. Da er nicht direkt in der Poggenburgstraße seinen Dienstsitz hatte, sind wir uns nur selten begegnet. Husum ist überschaubar. Da trifft man sich auch in der Stadt. Deshalb kenne ich auch seine Familie. Was wird aus der? Die Asmussens sind vor Kurzem in ein Reihenhaus gezogen. Das war sein ganzer Lebenstraum. Niemand wird Rücksicht darauf nehmen, dass die Hinterbliebenen jetzt nicht mehr für die Hypothekentilgung aufkommen können. Wenn die Frau Pech hat, wird sie bis an ihr Lebensende für die Schulden aufkommen müssen, wenn das Haus unter den Hammer kommt.«
    »Wir müssen nachweisen, dass es sich um einen sogenannten qualifizierten Dienstunfall handelt«, sagte Lüder. »Dann erhält Frau Asmussen noch ein Sterbegeld in Höhe zweier Monatsbezüge sowie eine einmalige Unfallentschädigung.«
    »Ein paar hundert Euro«, schimpfte Große Jäger.
    »Nein«, widersprach Lüder. »Es dürften rund sechzigtausend Euro sein.«
    »Pah. So viel ist also ein Menschenleben wert.« Große Jäger war sichtlich erregt. »Ich kann mich aufregen, wenn ich im nächsten Absatz in einer Zeitung lese, dass ein Zuchthengst für eine Million verkauft wurde. In was für einer Welt leben wir eigentlich?« Er starrte eine Weile schweigend durch die Windschutzscheibe. Erst hinter Oster-Ohrstedt sprach er weiter. »Und dann?«
    »Anschließend gibt es eine Witwenrente.«
    »Wie hoch?«
    »Das ist ein kompliziertes Verfahren mit einer fiktiven Höherstufung und dem Herabrechnen von Prozenten. Es ergibt ungefähr die Hälfte der bisherigen Dienstbezüge.«
    »Und damit Vater Staat nichts entgeht, ist das brutto. Einen Teil holt sich der Fiskus als Steuer wieder zurück.«
    Lüder schwieg. Vor allem mochte er nicht davon sprechen, dass die Witwenrente nur bis zu dem Zeitpunkt gewährt wurde, an dem die Frau möglicherweise wieder heiraten würde. Wer mochte in diesem Augenblick an so etwas denken. Und daran, dass nicht nur Jörg Asmussen sein Leben verloren hatte, sondern auch die Zukunft seiner Familie zerstört war. Lüders Gedanken schweiften ab. Auch er hatte sich schon manchmal in gefährlichen Situationen befunden. Und er war mit Margit nicht verheiratet. »Wir finden keine Zeit dafür«, scherzten die beiden, sprach man sie darauf an. Margit und ihre beiden Kinder würden unversorgt sein, lediglich Jonas und Sinje würden mit einer lächerlichen Waisenrente abgespeist werden. Das war das besondere Risiko eines jeden Polizeibeamten.
    »Wie geht es deinem Hund?«, wechselte Lüder das Thema.
    »Blödmann?«
    »Warum heißt er eigentlich Blödmann?«, fragte Lüder.
    »Ich hatte ihn gelegentlich ins Büro mitgenommen. Da hat er unter dem Schreibtisch gelegen.«
    »Deshalb heißt er aber nicht Blödmann.«
    »Christoph hat ihn so genannt, weil er – der Hund, nicht Christoph – Verdauungsprobleme hatte, die uns selbst im Winter zwangen, die Fenster zu öffnen.«
    Lüder schmunzelte. Dabei wurde ihm bewusst, wie dicht der Gedanke an das Opfer und seine Familie mit dem Alltag verwoben war. Trotz allem konnte man über Banalitäten lächeln. »Und wer versorgt ihn jetzt?«
    »Ich habe ihn schon eine Weile«, antwortete Große Jäger. »Die Jahre habe ich genutzt, ihn zu dressieren. Die Dosen bekommt er selbst geöffnet, und für Blödmann habe ich immer ein paar Flaschen Bier neben dem Kühlschrank stehen.«
    »Die er auch öffnen kann?«
    »Ich kaufe die Flaschen mit dem Plopp, dem Bügelverschluss. Die kippt er um und rollt sie gegen das Tischbein.«
    »Kippt da nichts aus? Auf den

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