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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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aufkreuzt und eure Wohnung auseinandernimmt.«
    »Das wagt ihr nicht«, begehrte Halil auf.
    Große Jäger lächelte und hielt dem Jungen die Hand hin. »Wetten? Das Ding verlierst du.«
    Damit hatte er Halil verunsichert. Der Junge nagte an seiner Unterlippe.
    »Ach, was soll’s«, sagte er schließlich. »Die Jungs sollen ja nur die Wahrheit sagen.« Er nannte drei Namen und die Anschriften dazu. »Die haben auch alle Handys mit Bluetooth«, beeilte er sich zu versichern. »Jeder von denen hätte das Ding auch haben können. Das war wirklich Zufall, dass ich der Schnellste war. Echt.«
    Für Lüder klang es überzeugend. Auch Große Jäger musste zu dieser Erkenntnis gekommen sein.
    »Wie sah der Mann aus?«
    »Na wie schon. Normal.«
    »Was ist normal?«, fragte Große Jäger.
    »Na, so ’n Deutscher.«
    »Würdest du ihn wiederkennen?«
    »Vielleicht«, gab sich Halil bedeckt.
    »Gut. Dann kommst du morgen in die Blume und –«
    »In den Bullenstall? Nie!«, fiel Halil dem Oberkommissar ins Wort.
    Doch Große Jäger ließ sich nicht beirren. »Morgen. Blumenstraße. Kripo. Hauptkommissar Vollmers. Dem erzählst du, wie der Typ ausgesehen hat. Alles klar?«
    »Nie. Mach ich nicht«, protestierte Halil.
    Lüder hielt es nicht für notwendig, sich einzumischen. Dem Jungen war deutlich anzumerken, dass er die Ablehnung für sein Selbstwertgefühl benötigte. Das schien auch Große Jäger zu spüren. Es war überflüssig, Halil eine andere Antwort abzutrotzen.
    »Alles klar? Und wenn du möchtest, erfährt dein Vater nichts von unserer Abmachung. Wir werden schweigen.« Große Jäger legte den Zeigefinger auf die Lippen.
    »Ich komm nicht«, erwiderte Halil hartnäckig.
    »Bis dann«, antwortete Große Jäger. »Bis morgen. Tschau.« Dann drehte er sich um und stieg in aller Ruhe die Treppe hinab. Lüder folgte ihm mit einem breiten Grinsen. Er war immer wieder erstaunt, mit welchem Einfühlungsvermögen der so grobschlächtig wirkende Mann den richtigen Ton fand. Zumindest bei einer bestimmten Klientel, schränkte Lüder für sich selbst ein und dachte an Graf von Søndervig-Gravenstein und dessen illustre Gäste.
    Lüder sah auf die Uhr. Die Tagesschau war schon lange gelaufen. Er war ein wenig enttäuscht, dass niemand aus der Familie versucht hatte, ihn anzurufen und danach zu fragen, wann er nach Hause käme. Sicher – das hatte ihm Diskussionen und Ausflüchte erspart. Trotzdem wurmte es ihn, dass man ihn offensichtlich nicht vermisste.
    Trotz des immer noch herrschenden Nieselregens wurden sie vor der Haustür von einer Gruppe von fünf Männern erwartet. Lüder erkannte Ugur Kayacik, Halils Vater, unter ihnen, und den Mann, den er beim Besuch in dessen Wohnung gemeinsam mit dem Imam dazugerufen hatte. Die anderen drei machten auf Lüder einen finsteren Eindruck. Das mochte an der Witterung, der spärlichen Beleuchtung und der ganzen bedrückenden Umgebung liegen, vielleicht auch an der Kleidung oder dem dunklen und fremdländisch wirkenden Aussehen der Leute. Lüder schalt sich ob der kurzfristig aufkeimenden Vorurteile, schob es aber der Situation zu, schließlich hatte sich die Gruppe hier nicht versammelt, um der Polizei bei der Aufklärung eines widerwärtigen Mordes und anderer Straftaten behilflich zu sein.
    Große Jäger wollte sich an der Gruppe vorbeizwängen und sagte halblaut: »Ein unwirtliches Wetter für ein Frischlufthappening. Aber wenn der Nachwuchs sich schon im Freien aufhält, ist das vielleicht ein angeborener Instinkt.« Er drehte sich zu Lüder um. »Sehen Sie. Darum hat man in unseren Regionen die beschaulichen Adventsabende erfunden. Da sitzen die Leute friedlich zu Hause, trinken Glühwein und müssen nicht bei diesem Schietwetter auf der Straße herumlungern.«
    Einer der ihnen bisher unbekannten Männer machte einen Schritt zur Seite und stellte sich dem Oberkommissar in den Weg, ohne dabei die Hände aus den Taschen seiner schweren Lederjacke zu nehmen. Lüder musterte den Mann. Den Gesichtsausdruck konnte er nicht erkennen, da die Augen im Schatten der Schiebermütze verborgen blieben.
    »Ich hatte Ihnen gesagt, Sie sollen sich aus unseren Sachen heraushalten«, sagte der Mann, der auch am Vortag das Gespräch geführt hatte.
    »Was auch immer Ihre Sachen sein mögen … In diesem Land gibt es Gesetze, auf deren Einhaltung wir achten. Bei Verstößen dagegen treten wir in Erscheinung. Ich hoffe, Sie haben das verstanden.«
    »Ich kenne mich mit den bürgerlichen Rechten aus«,

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